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Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition)

Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition)

Titel: Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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im umherwandernden Lichtschein konnte sie erkennen, dass sich vor ihr ein weiter Raum öffnete. Die Höhle, die es mit der Größe von Eloda Lasi aufnehmen konnte, war von unzähligen Stalagnaten durchsetzt, die wie majestätische Säulen die kuppelartige Höhlendecke trugen.
    » Wie Herrscher der Ewigkeit stehen sie im Schatten der Zeit, unberührt von ihrer Hand, scheinbar alterslos«, hauchte Vadim ehrfurchtsvoll, während sich Lilith völlig entkräftet an eine der Säulen lehnte.
    Er schwebte durch den Raum und betrachtete voller Faszination die gefächerten Sintervorhänge und im Stein eingeschlossene Kristalle, die das wenige Licht wie Diamanten reflektierten. »Diese Stalagnaten existieren schon seit undenkbar langer Zeit und werden es noch tun, lange nachdem wir – Sterbliche genau wie Unsterbliche – unseren letzten Atemzug getan haben. Wir sind vergänglich, ein Leben, das in diesen Hallen so unbedeutend ist wie ein Wassertropfen, der zu Boden fällt. Es ist, als würde uns die Höhle mit diesem Raum einen Spiegel vorhalten, in dem wir unsere eigene Bedeutungslosigkeit erblicken.«
    »Moment!«, unterbrach ihn Lilith und fuhr aufgeregt herum. »Ist das nicht ein Plätschern? Hier muss es irgendwo Wasser geben.«
    Sie stolperte durch die Säulenhalle, und je näher sie dem Geräusch kam, desto trockener wurde ihr Mund und ihr Durst fast unerträglich.
    Endlich fand sie einen Bachlauf, der in ein Höhlenbecken mündete, das mit glasklarem Wasser gefüllt war. Überglücklich fiel sie auf die Knie, beugte ihren Kopf über die Oberfläche und begann gierig zu trinken.
    »Nicht so hastig!«, wollte Vadim sie bremsen. »Mach eine Pause, ansonsten wirst du dich gleich übergeben.«
    Trotz seiner Ermahnung konnte sie nicht aufhören, denn zu erfrischend war das kühle Nass, das prickelnd ihre Kehle hinabrann und ihren leeren Magen füllte.
    » Kluge Raubtiere warten an der einzigen Wasserstelle auf ihre Opfer«, wisperte Vadim.
    »Wie bitte?«, fragte Lilith, während sie sich den Schmutz vom Gesicht abrieb.
    » Du musst jetzt ruhig bleiben und darfst keine schnelle Bewegung machen!«
    Vadims Tonfall ließ Lilith aufhorchen. Sie hob den Kopf und sah auf der gegenüberliegenden Seite des Beckens ein Wesen mit grauweißer Haut stehen, das seine schwarzen Nebelaugen direkt auf sie gerichtet hatte. Es war ein Kraghul.
    »Oh mein Gott!« Nur mit Mühe konnte sie einen angsterfüllten Aufschrei unterdrücken. Sie zuckte reflexartig zurück, was der Kraghul mit einem gefährlichen Knurren quittierte.
    » Geh ganz langsam rückwärts! Diese Biester sehen so gut wie nichts und orientieren sich hauptsächlich über ihren Hör- und Geruchssinn.«
    Strauchelnd kämpfte Lilith sich in die Höhe, und obwohl sie am liebsten so schnell wie möglich davongerannt wäre, versuchte sie sich leise und Schritt für Schritt von dem zähnefletschenden Biest zu entfernen. Doch so einfach ließ sich der Kraghul nicht austricksen. Er sprang mit einem einzigen Satz über das Becken und kam genau an der Stelle auf, wo Lilith eben noch gestanden hatte. Sein Schwanz peitschte aufgeregt hin und her, wobei er seine spitzen Fangzähne entblößte, von denen zäher Schleim tropfte. Anscheinend konnte er es kaum erwarten, sich auf sein Opfer zu stürzen.
    Lilith wusste, dass ein Kampf vollkommen aussichtslos war, ohne eine Waffe konnte sie gegen diese mörderische Bestie nichts ausrichten. Diese Erkenntnis und der Anblick des zum Angriff bereiten Kraghuls ließen sie ihre Selbstbeherrschung endgültig verlieren. Panisch und ohne auf die Lautstärke zu achten, stolperte sie rückwärts laufend davon, nur noch von dem Gedanken erfüllt, wegzukommen, weg von diesem Monster!
    »Vorsicht!«, wollte Vadim sie gerade noch warnen.
    Doch da streifte schon ihr rechter Turnschuh über eine Erhebung im felsigen Boden, ihr Fuß knickte um und Lilith musste sich rudernd abfangen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Die Taschenlampe drohte ihrer schweißnassen Hand zu entgleiten, sie wollte ihre Finger noch einmal fester darum schließen, aber es war zu spät – die Lampe fiel mit einem Knall zu Boden. Wie durch ein Wunder blieb sie heil, doch sie rollte immer weiter von Lilith weg. Ihr Lichtkegel lief dabei wie ein Scheinwerfer über die gegenüberliegende Beckenseite, und was Lilith dadurch sah, lähmte vor Entsetzen jeden Muskel in ihrem Körper. Der Kraghul, der so gefährlich nah vor ihr stand, war nicht der einzige, der es auf sie abgesehen hatte.

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