Lilith Parker
häuften sich bunte Stoffreste, Stecknadeln und Schnittmuster. Lilith griff nach einem coolen T  -  Shirt, das mit Pailletten und Glitzerfetzen bestickt war.
»Du nähst deine Kleider selber?«, entfuhr es ihr erstaunt, während sie ein schwarzes Haar entfernte, das sich in den Pailletten verfangen hatte.
»Das geht dich überhaupt nichts an.« Rebekka entriss ihr das T  -  Shirt, schob die Nähutensilien zusammen und lehnte sich so gegen den Tisch, dass sie Lilith die Sicht versperrte.
»Du hast mich falsch verstanden â ich finde das toll!«, sagte Lilith ehrlich begeistert. »Ich könnte so etwas nie hinbekommen. Bis eben hatte ich gedacht, du hättest deine Kleider aus der Boutique, in der du arbeitest.«
»Ehrlich?« Einen Moment lang fiel Rebekkas abweisende Art von ihr ab, ihre Wangen färbten sich rosig und in ihren Augen lag ein freudiges Funkeln. »Vielen Dank!«
Lilith setzte sich auf einen altersschwachen Holzstuhl. »Hör zu, wir beide hatten vielleicht keinen guten Start und ich erwarte bestimmt nicht, dass wir Freunde werden, aber sollen wir nicht wenigstens versuchen, friedlich miteinander auszukommen? Meine Tante hat mir erzählt, dass du und deine Mutter es nicht leicht habt, und ich kann gut nachempfinden, wie ungerecht dir euer Leben als AusgestoÃene der Familie Norwich vorkommen muss. Auch ich stecke in einer Rolle fest, die ich mir nicht ausgesucht habe, aber ich versuche es zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen.«
Rebekkas Züge verhärteten sich wieder. »Und wenn ich das nicht will?«, zischte sie. »Wenn ich einfach nicht akzeptiere, wie die Dinge sind?«
Irritiert starrte Lilith sie an. Natürlich haderte Rebekka mit ihrem Schicksal, das war verständlich, doch was konnte sie schon dagegen unternehmen? Sowohl ihre Mutter als auch sie selbst waren Socor und daran konnte auch Rebekkas entschlossene Art nichts ändern ⦠Entnervt rieb Lilith sich über die Stirn. Noch nie hatte sie jemanden kennengelernt, der so schwierig war wie Rebekka â sie schaffte es, wirklich jedes Wort in den falschen Hals zu bekommen. Es war eigentlich zu erwarten gewesen, dass sie nicht auf das Friedensangebot eingehen würde, aber Lilith hatte es immerhin versucht. Dann konnte sie im Grunde auch die Gelegenheit nutzen und ihren ungeheuerlichen Verdacht ansprechen â schlieÃlich hatte sie nichts zu verlieren.
»Deine Mutter hat dir bestimmt erzählt, dass ich mich nur teilweise an meinen Unfall am Weiher erinnern kann. Doch vor Kurzem ist mir wieder eingefallen, dass du mich in der Crepusculelane mit irgendeinem Parfüm eingenebelt hast und gleich danach meine Vision begonnen hat.« Sie hielt inne und musste sich einen Ruck geben, ihre Vermutung laut auszusprechen: »Kann es sein, dass du etwas mit meiner Bansheevision zu tun hast?«
Rebekka wirkte kein bisschen erstaunt über Liliths Anschuldigung, im Gegenteil. Sie lief mit einem müden Lächeln zum Kühlschrank. »Und wie sollte ich das bewerkstelligt haben?«
»Die meisten Nocturi reagieren auf Gerüche und ich vermute,dass das bei Todesfeen nicht anders ist. Wahrscheinlich gibt es für Banshees einen speziellen Duft, der ihre Kräfte verstärkt und eine Vision auslöst.«
» Wahrscheinlich ? Das heiÃt, du beschuldigst mich, obwohl du nicht die geringste Ahnung hast, ob deine Vermutungen der Wahrheit entsprechen?«
Natürlich hatte Rebekka recht. Bis auf ihr vages Gefühl besaà Lilith weder eine wasserdichte Theorie geschweige denn einen Beweis, wie Rebekka die Vision ausgelöst hatte.
Ãrger wallte in ihr auf, vor allen Dingen galt er jedoch ihr selbst. Trotz der Kälte zog sie den ReiÃverschluss ihrer Jacke auf und wickelte sich aus ihrem Schal, um der unangenehmen Stille zu entgehen und beschäftigt zu wirken. Hatte sie etwa erwartet, dass so ein abgebrühtes Mädchen wie Rebekka plötzlich von Schuldgefühlen überwältigt wurde und die Wahrheit gestand?
»Du solltest wirklich nicht permanent anderen die Schuld für deine Unfähigkeit in die Schuhe schieben!« Sie musterte Lilith mit herablassender Miene, dann blieb ihr Blick auf dem Bernstein-Amulett hängen. Unwillig knallte sie die Kühlschranktür zu, ohne sich etwas herausgeholt zu haben. »Aber zum Glück wirst du bald von der Insel verbannt, so jemanden wie dich brauchen
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