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Lilith Parker

Lilith Parker

Titel: Lilith Parker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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da!«, schluchzte sie. »Helfen Sie uns, bitte!«
    Lilith erstarrte. Ihre Finger hatten etwas berührt! Zuerst hatte sie es fast gar nicht gespürt, da ihr Tastsinn durch die Kälte kaum mehr vorhanden war. Es fühlte sich weich und leblos an, genauso kühl wie das Wasser, doch es waren eindeutig die Finger einer kleinen Hand. Es musste Vincent sein! Sie stützte sich mit einem Arm auf dem Eis ab und zog mit der anderen an Vincents Hand, aber er war schwerer, alssie erwartet hatte. Quälend langsam, Stück für Stück, zog sie seinen Körper in Richtung Wasseroberfläche. Als sie es fast geschafft hatte und sie seine weiß schimmernde Hand schon im Wasser ausmachen konnte, fiel ihr Blick auf das Eis. Vincents Gesicht tauchte unter ihr auf und drückte sich von unten an die Eisschicht.
    Doch es war nicht mehr der Junge, mit dem sie noch vor wenigen Minuten Freundschaft geschlossen hatte. Feine blaue Linien durchzogen seine bleiche Haut, sein Gesicht wirkte unnatürlich aufgequollen und aus seinen Zügen war schon lange alles Menschliche verschwunden. Dieser Körper war nur noch eine seelenlose, verwesende Hülle, die seit Ewigkeiten kein Leben mehr in sich trug.
    Lilith schnappte entsetzt nach Luft, ihre Gedanken überschlugen sich. Wie konnte das sein? Noch vor wenigen Minuten hatte sie mit Vincent gesprochen, er war quicklebendig vor ihr auf- und abgesprungen und hatte sie zu diesem Weiher geführt, in dem er schon vor Jahren gestorben war … Die Erkenntnis traf sie wie ein Blitzschlag und plötzlich ergab alles einen Sinn: Die Frau, die fast in Vincent hineingerannt wäre, hatte ihn überhaupt nicht gesehen und Liliths Kopfschmerzen und der Schwindel waren die Begleiterscheinungen einer heftigen Todesvision! Das Loch im Eis hatte sie selbst mit ihrer Faust durchstoßen und nun wurde ihr auch klar, warum Vincent ihr so bekannt vorgekommen war, denn er war Teil eines Banshee-Albtraums gewesen, der sie vor einigen Wochen während des Unterrichts bei Sir Elliot heimgesucht hatte. Der Vincent, der eben noch glücklich lachend über das Eisdes Teufelstopfs gesaust war, war nie real gewesen, sondern nur das letzte Echo eines Toten. Genau wie die Träume, die Lilith in der Nacht verfolgten, doch dieses Mal geschah es mitten am Tag und so täuschend echt, dass sie es nicht von der Wirklichkeit hatte unterscheiden können. Ihre Kräfte schienen völlig außer Kontrolle geraten zu sein, gefangen in der Todesvision setzte Lilith sogar ihr eigenes Leben aufs Spiel, um einen Jungen zu retten, der in der Realität schon lange nicht mehr existierte. Wahrscheinlich war sie die erste Banshee, der so etwas Dämliches passierte …
    Â»Lilith, bleib genau so liegen, hast du gehört?«
    Direkt hinter sich vernahm sie wieder die Frauenstimme, Lilith drehte sich um und sah ausgerechnet Imogen Norwich in ihrem Bansheefestagskleid am Ufer stehen. Kein Wunder, dass sie die Stimme niemandem hatte zuordnen können. War Imogen ihr etwa von der Crepusculelane bis hierher gefolgt? Egal, jetzt zählte nur, dass sie nicht mehr allein war.
    Â»Er ist da drin im Wasser! Er ist tot …«
    Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie immer noch die Finger des toten Jungen umklammert hielt. Mit ekelverzerrtem Gesicht wollte sie ihre Hand aus dem Wasser ziehen, doch jemand hielt sie fest. Vincents tote Finger hatten sich wie ein Schraubstock um ihre geschlungen. Ungläubig starrte Lilith auf das leblose Gesicht unter dem Eis.
    Â»Aber wie kann das …«
    Er öffnete so abrupt die Augen, dass ihr ein spitzer Schrei entwich.
    Â»Nicht bewegen!«, brüllte Imogen. »Das Eis kann jedenMoment brechen. Egal, was du gerade siehst, es geschieht nicht in Wirklichkeit.«
    Für Lilith sah es leider nur allzu real aus. »Scheiße, das ist ja wie in einem Horrorfilm«, wisperte sie.
    Der Druck seiner Hand verstärkte sich und Vincent formte einige Laute mit den Lippen, die sich in ihrem Kopf zu Worten zusammenfügten.
    Â»Okay, Vincent«, hauchte Lilith. »Ich werde es versuchen.«
    Fast schien es ihr, als würde ein erleichtertes Seufzen über den Weiher hallen. Plötzlich war ihre Hand wieder frei und sie zog sie blitzartig aus dem Wasser. Ihr Arm war vollkommen steif, doch das war im Moment nebensächlich. Mit schreckgeweiteten Augen robbte sie rückwärts von der Einbruchstelle weg. Sosehr sie sich auch Mühe

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