Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lilith Parker

Lilith Parker

Titel: Lilith Parker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
Vom Netzwerk:
seltsame Rufen, das sie als Nächstes hörte – es war ein lautes, mehrtöniges Krachen, wie zersplitterndes Glas, gefolgt von einem kurzen, angsterfüllten Aufschrei.
    Sie fuhr herum. »Vincent?«
    Sein Schrei war schon längst vom Schnee und den Bäumen des Weihers verschluckt worden, doch in Liliths Kopf schien sich sein Echo endlos fortzusetzen. Ihr Blick glitt über die leere Eisfläche, während ihr Herz vor Schreck zu gefrieren schien.
    Wo war der Kleine?
    Am anderen Ende des Weihers zeichnete sich ein dunkles zackiges Loch in der Eisfläche ab, groß genug, um einen kleinen Jungen zu verschlingen. Lilith schlug sich schockiert die Hand vor den Mund. Aber das konnte nicht sein …
    Wenn er sterben würde, hätte ich das Todesmal über seinem Kopf gesehen!, versuchte sie sich selbst zu beruhigen. Allerdings war sie durch ihre Schmerzen und das Rufen so abgelenkt gewesen, dass sie es womöglich gar nicht bemerkt hatte.
    Hastig betrat sie die Eisfläche, keinen Gedanken mehr an ihre eigene Sicherheit verschwendend. Sie musste zu Vincent, so schnell wie möglich! Vielleicht konnte sie ihn noch retten. Das Eis knirschte unwillig unter ihren Füßen, sie tastete sich Schritt für Schritt vorwärts und hielt dabei automatisch die Luft an. Jedes Mal wenn sie einen Fuß aufsetzte, erschienen auf dem Eisspiegel des Teufelstopfs feine Linien, die sich wie von Zauberhand ausbreiteten.
    Trotz der Kälte rann ihr der Schweiß über die Stirn. Erneut erfasste sie ein bleierner Schwindel, keuchend blieb sie stehen, fasste sich an ihren Bauch und musste dem Drang widerstehen, in die Knie zu gehen. Sie riss sich zusammenund mobilisierte ihre letzten Kräfte – sie musste zu Vincent, alles andere durfte jetzt keine Rolle spielen!
    Je weiter sie der Mitte des Weihers kam, umso stärker wurde das unheilvolle Knirschen und sie beschloss, sich auf den Bauch zu legen, um ihr Gewicht gleichmäßig zu verteilen. Sie robbte bis zur Einbruchstelle und starrte auf die dunkle Wasseroberfläche.
    Â»Vincent?«
    Alles, was sie sah, war ihr eigenes Gesicht, das ihr mit ängstlich verzerrter Miene entgegenblickte. Ohne lange zu überlegen, tauchte sie ihren Arm in das Wasser. Seltsamerweise spürte sie anfangs einen festen Widerstand und sie musste ihre Faust mit aller Kraft in die Tiefe rammen, um unter die Oberfläche zu gelangen. Ihre Handschuhe und der Ärmel ihrer Jacke waren augenblicklich mit Wasser durchtränkt, die eisige Kälte schnappte nach ihr wie ein bissiges Tier und saugte gierig das Leben aus ihr heraus. Mit blinden Fingern tastete sie umher, in der Hoffnung, etwas von Vincent zu fassen zu bekommen. Vielleicht war er noch in der Nähe? Mit jeder Faser ihres Herzens hoffte sie, dass der Kleine noch nicht in die Tiefe gesunken war …
    Sie versuchte den Gedanken zu verdrängen, wie er da unten in der Dunkelheit mit weit aufgerissenen Augen um sein Leben kämpfte, seine Locken vom Wasser aufgeweicht, sein gerade noch lachender Mund zu einem stillen Schrei aufgerissen. Schon nach wenigen Sekunden waren Liliths Finger taub und die Kälte stach wie mit Nadeln in ihre Haut. Wie lange konnte ein Mensch in diesem nassen Grab überleben? Zwei Minuten, drei?
    Â»Vincent? Verdammt noch mal, wo bist du?«, flüsterte sie dem Wasser zu. »Du darfst noch nicht sterben, hast du gehört? Du musst kämpfen, kämpf dich nach oben!«
    Die Antwort war kalte, endlose Stille.
    Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Vielleicht sollte sie sich etwas weiter nach vorne wagen? Womöglich trennte Vincent und sie nur ein Fingerbreit voneinander.
    Vom Ufer hörte sie das Knacken eines Astes. War das die Frau, die nach ihr gerufen hatte? Ein verzweifelter Hoffnungsschimmer keimte in Lilith auf. Vielleicht konnte sie ihr helfen? Zu zweit bestand womöglich noch eine Chance, Vincent den Tiefen des Teufelstopfs zu entreißen.
    Sie blickte auf und zuerst dachte sie, sie hätte sich den Schatten hinter dem abgestorbenen Schilfgras nur eingebildet, doch dann erkannte sie den Umriss eines massigen Mannes, der in ihre Richtung starrte.
    Â»Hilfe!«, schrie sie ihm zu. »Bitte helfen Sie uns, er wird sonst sterben!«
    Doch der Mann reagierte nicht, blickte nur ungerührt zu ihr herüber. Dann musste Lilith fassungslos mit ansehen, wie er sich abwandte und im Dickicht verschwand.
    Â»Bleiben Sie

Weitere Kostenlose Bücher