Lilith - Wunschlos gluecklich
als einem Austausch zustimmen. Aber was konnte er dann tun? Sich einfach damit abfinden, dass er Stunde um Stunde mehr verweichlichte?
Er seufzte. Es fiel ihm schwer, es sich einzugestehen, aber im Moment war es wohl die einzig richtige Entscheidung. Entweder das oder er tat, was Lilith gestern Abend in sein Verhalten hineininterpretiert hatte …
Das war’s! Genau …
Besondere Menschen benötigten besondere Maßnahmen. Er legte sich also eine neue Taktik zurecht, aber zur Ruhe kam er leider trotzdem nicht.
Kapitel 5
Die Bitte
L iliths Radiowecker dröhnte laut in die morgendliche Stille. Sie drosselte flink die Lautstärke und sank blind in ihre Kissen zurück. War die Nacht wirklich schon zu Ende? Jeder Muskel fühlte sich steif und ungelenk an, und sie fühlte sich einfach nur unausgeschlafen. Es kam ihr so vor, als hätte sie die gesamte Nacht wach gelegen. Sie hielt die Augen fest geschlossen und ließ sich noch ein wenig durch die Nachwirkungen der vergangenen Stunden treiben. Im Hintergrund plätscherte immer noch die Musik ihres Weckers vor sich hin. Erinnerungsfetzen aus einer Traumsequenz huschten durch sie hindurch, die sie auf keinen Fall verpassen wollte. Sie konzentrierte sich, damit ihr auch nicht der kleinste Hauch davon abhandenkam. Spulte zurück und ließ ihr Kopfkino von vorn starten.
Luc und sie in einer innigen Umarmung , er umschlang sie , drückte sie grob und doch zärtlich an seine starke Brust . E r senkte den Kopf zu ihr herab , sie erwiderte sehnsüchtig seinen Blick . S ein Pony kitzelte ihre Wange . S ie schloss die Augen , spürte, wie sein Atem über ihre Haut kroch . S ie stellte sich auf Zehenspitzen und erwartete, seine weichen Lippen auf den ihren zu spüren …
Ende. Genau in diesem Moment hatte sie ihr nervender Wecker in das Hier und Jetzt zurückgerissen. Mist! Dieser Luc ging ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf. Es war ihm sogar gelungen, ihre Albträume zu vertreiben. Wenn sie so recht darüber nachdachte, allein dafür schuldete sie ihm eigentlich ihren Dank. Liliths Gedanken spulten sich noch einige Stunden weiter zurück. Zurück zu dem Augenblick, als er am Abend zuvor in ihrem Badezimmer aufgetaucht war … Ein wohliger Schauder schüttelte sie bei der Erinnerung, wie er sie durch die Dampfschwaden hindurch beobachtet hatte. Wie lange er wohl mit seinem engelsgleichen Gesicht schon zwischen Bad und Flur gesteckt hatte? Und was hatte er überhaupt gesehen?
Sie streckte sich ein wenig, versuchte ihre Glieder zu lockern und blinzelte in das fahle Licht, das während der Morgendämmerung in ihr Zimmer fiel. Fast erwartete sie, in zwei wunderschöne grüne Augen zu blicken. Aber da war nichts. Erstaunt setzte sie sich auf. Ihr Zimmer erschien leer, und nun fiel ihr die gespenstische Stille auf, mal abgesehen von dem Gedudel ihres Weckers. Sie sah sich um … nichts. Sie beugte sich aus dem Bett und inspizierte den Boden darunter … nichts. »Luc?«, rief sie in den Raum, aber sie bekam keine Antwort.
Immer noch jodelte ihr Radiowecker vor sich hin. Mist … Sie hatte keine Zeit mehr, sich über Luc Gedanken zu machen, sie musste los. Lilith erstickte das lärmende Gedudel und schlurfte ins Badezimmer. Die Hoffnung, dort Luc zu begegnen, erfüllte sich leider nicht. Eine erneute Enttäuschung erwartete sie am Frühstückstisch. Als sie die Küche betrat, erblickte sie nur Mom und Dad. Beide waren wie meist mit sich beschäftigt und bemerkten sie wie so oft nicht einmal. Keine Ahnung, wieso sie so empfand, aber an diesem Morgen waren drei einfach einer zu wenig.
Da niemand von ihr Notiz nahm, bereitete sie sich schweigend ihr Lieblingsmüsli zu, setzte sich an ihren angestammten Platz und begann abwesend in der Schale zu rühren. Sie schob sich den ersten Löffel in den Mund, ihre Zähne mahlten langsam. Den zweiten Löffel, ihre Zunge wirbelte minutenlang alles umeinander. Den dritten Löffel ließ sie sinken und schob die Schale von sich weg. Es war eigenartig, aber heute Morgen schmeckte es ihr einfach überhaupt nicht. Sie kippte über die Hälfte in den Ausguss, als Jordans Hupe von draußen ertönte.
»Bis später, hab euch lieb«, verabschiedete sie sich schnell, in der Hoffnung, nicht nur einer Person in Jordans Wagen zu begegnen. Aber sie wurde erneut enttäuscht. Wo steckte er bloß? Hatte er nicht noch am ersten Abend betont, dass er sie nicht verlassen dürfe, solange sie noch Wünsche übrig hätte? Sie überlegte, ob
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