Lilith - Wunschlos gluecklich
er wohl zurückkommen würde, wenn sie sich jetzt etwas wünschte. Bezweckte er vielleicht genau das mit seinem Verhalten? Wollte er sie etwa so dazu bringen, sich etwas zu wünschen?
»Wie geht es meiner Hübschen heute Morgen?«, durchbrach Jordan ihre Gedanken.
»Danke, gut. Und dir?«, fragte sie höflich zurück, aber im Grunde interessierte es sie heute nicht. Sie war viel zu konfus und konnte derzeit nur an ein Detail in ihrem Leben denken. An Luc. Warum war er nicht bei ihr? Er sollte hier sein und ihr auf die Nerven gehen. Er sollte sie minütlich mit dieser einen, nervenden Frage quälen und sie damit zur Weißglut treiben. Das war doch sein Job, oder etwa nicht?
»Erde an Lil. Bitte aussteigen eure Hoheit!«
Sie sah auf. Jordan stand schon auf der Beifahrerseite und hielt ihr die Tür auf. O Mann … Wieso machte sie sich eigentlich so einen Kopf um diesen bescheuerten, nervenden, beknackten und doch durch und durch hammersüßen Typen? Sie sollte eigentlich froh sein, dass er sich endlich wieder verzogen hatte. Ihr Leben gehörte gottlob wieder ihr allein. Dies war doch genau das, was sie sich gestern den gesamten Tag ersehnt hatte. Oder nicht? So ein Mist … Sie wusste gar nichts mehr.
Der folgende Schultag verlief also wieder in ganz normalen und von Idioten geregelten Bahnen. Es gab keine Unterbrechungen beim Toilettenschwatz mit ihren Freundinnen, keinen peinlichen Einschnitt in ihren Unterricht, keine Belästigung in der Mensa, kein unablässiges Gequassel auf der Heimfahrt. Alles sollte perfekt sein, dennoch brannte schon den ganzen Tag über ein Loch in Liliths Brust. Mit einem Mal empfand sie ihr fast wieder normal verlaufendes Leben als farblos, denn etwas Großes, Buntes, Einzigartiges fehlte – Luc! Das Grün seiner Augen, das Schwarz seiner Haare, das Weiß seiner Zähne, das Funkeln seiner Haut …
Sie ertrug sich den ganzen Vormittag über kaum selbst. Missmutig schleppte sie sich von Stunde zu Stunde, aber ihre Augen waren hellwach. Unablässig taxierten sie jedes männliche Wesen mit schwarzer Wuschelfrisur. Sie vermutete ihn überall, in jeder Ecke und in jedem Winkel, im gesamten Schulgebäude. Doch sie hatte keinen Erfolg. Was hatte er bloß mit ihr angestellt? Wieso vermisste sie ihn so sehr? Sie kannte ihn doch eigentlich gar nicht. Doch in ihrem Innersten wusste sie schon jetzt, dass sie dies nur zu gern ändern würde.
Mit einem kurzen »Bis morgen« verabschiedete sie sich ungelenk von Jordan und eilte geradewegs ins Haus, ohne ihm die Chance einer Erwiderung zu geben. Wie immer seit dem Tod ihrer Großmutter war sie um diese Uhrzeit allein in dem geräumigen Haus ihrer Eltern. Völlig außer Atem lehnte sie sich nach Luft schnappend und mit geschlossenen Augen an die kühle, metallische Eingangstür. Irgendwie fühlte sie sich schwach, und ihr war schlecht. Ihr Magen grummelte und erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie auf der permanenten Suche nach Luc ihre Mittagsmahlzeit in der Mensa verpasst hatte. Sie hielt die Lider noch einen Moment geschlossen und kämpfte gegen den Schwindel und die aufkeimenden Tränen an. Auf keinen Fall wollte sie ihnen freien Lauf lassen. Auch wenn es niemand sah, wollte sie dieser Schwäche jetzt nicht nachgeben. Es fiel ihr unsagbar schwer zu glauben und dennoch musste sie es sich eingestehen, sie vermisste diesen nervenden Dschinn.
Was, wenn er nicht wieder auftauchen würde? Bei dem Gedanken daran wurde es schlagartig eng in ihrer Brust.
Reiß dich gefälligst zusammen! Sie schnappte sich ihre zu Boden gesunkene Tasche und schleppte sich in ihr Zimmer. Als sie eintrat, wurde ihr Blick von einer kleinen, unbedeutenden Bewegung auf ihr Bett gelenkt.
Luc!
Ihr Herz schlug Purzelbäume und holperte plötzlich laut stolpernd vor sich hin. »Luc … du hier?!«
*
Lucs neue Taktik schien funktioniert zu haben. Er sah es in ihren Augen, die ihm freudig entgegenfunkelten, hörte es an ihrem Herzschlag, der immer noch viel zu laut und unrhythmisch vor sich hintrommelte. »Ich kann auch wieder gehen, wenn du es wünschst.«
Sofort legte sich ihre freudige Erregung. »Wie du willst …«, sagte sie schnippisch, warf ihre Tasche neben den Schreibtisch und verschwand ohne ein weiteres Wort wieder hinaus auf den Flur.
Sie wusste es nicht, aber er war den ganzen Tag über bei ihr gewesen. Er war schon in der Nacht zu ihr zurückgekehrt. Nachdem er in seinem Zuhause keine Ruhe gefunden hatte, materialisierte er sich in Liliths
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