Lilith - Wunschlos gluecklich
würde Lilith ihrer Freundin nun nicht mehr entkommen. Das Blöde war nur, es stimmte nicht. Entgegen Camilles Vermutung hatte sie sich nicht in diesen Luc verknallt. Zumindest redete sie sich das ein, denn einzig ihre Träume, in denen er neuerdings auch vorkam, und sein Verhalten ihr gegenüber, verstörten Lilith. Für andere wirkte es vielleicht, als ob sie verliebt war, aber dem war nicht so. Nur wie sollte sie Camille dies verdeutlichen? Jede Erklärung, die sie Camille für ihr Verhalten hätte geben können, und wäre sie noch so plausibel, würde Camille dennoch nur für irgendwelche krummen Ausflüchte halten.
»Camille … du bist meine beste Freundin. Muss ich es dir wirklich erklären?«
Camille neigte den Kopf etwas zur Seite, hob verächtlich eine Augenbraue in die Höhe, stemmte die Arme in ihre schmalen Hüften und ließ sie nicht aus den Augen. Bei alldem trat sie mit einem Bein ungeduldig auf der Stelle, was in Camilles Körpersprache soviel hieß wie »Spuck‘s aus!«
Lilith schnaubte. »Ich bin nicht verliebt, so viel kann ich dir sagen! Es ist nur … Ich glaube, er hat recht. Ich habe wirklich das Gefühl, ihn zu kennen, und doch weiß ich nicht, woher. Sein Auftauchen überrollt mich jedes Mal wie eine Dampfwalze, der Klang seiner Stimme schneidet mir immer wieder aufs Neue schmerzend in meine Eingeweide und ich kann nicht sagen, wieso. Aber vor allem kann ich nichts dagegen tun. Das verwirrt mich einfach … Und dann kommst du daher und behauptest so schwachsinniges Zeug. Noch dazu vor ihm. Also sorry, aber da muss man doch durchdrehen.«
Camilles Augen verengten sich zu Schlitzen, aus denen sie unmöglich noch irgendetwas erkennen konnte, das mehr als einen halben Meter von ihr entfernt war. »Dich hat’s ja schlimm erwischt, Lil«, prustete sie, strich ihr dabei aufmunternd über die Schultern und ging an ihr vorbei, zurück in den Laden.
Nach diesem Auftritt brachte es Lilith einfach nicht über sich, Camille zu folgen. Was würden die jungen Männer nur von ihr denken? Sie hatte sich vollkommen kindisch benommen und so zog sie ihre Jacke enger um ihren fröstelnden Körper, wandte sich ab und sah nicht zurück – weder zu Camille noch zu Luc. In einiger Entfernung lag mitten in der Stadt ein kleiner Park. Dahin trugen Liliths taube Beine ihren ausgelaugten und verwirrten Körper. Langsam, immer einen Schritt vor den anderen. Tief inhalierte sie die kalte, klare Luft. Es tat gut, beruhigte sie und ließ ihre Gedanken wieder greifbarer werden.
An einem kleinen, fast zugefrorenen See, der inmitten des Parks lag, machte sie halt. Nachdenklich setzte sie sich auf eine der freien Bänke, die in gleichmäßigen Abständen das Ufer säumten.
Die Bank lag schon im Schatten und die letzten wärmenden Sonnenstrahlen verschwanden gerade über den Baumwipfeln am Rande des Parks. Die Schatten der Bäume wirkten wie riesige Gespenster. Über den See hinweg streckten sie ihre langen dürren Finger nach ihr aus und ließen sie erneut frösteln. Sie fühlte sich so leer. Leer und allein, und sie vermisste Großmutter. Aber das Schlimmste war, dass ihr niemand sagen konnte, weshalb sie sich so fühlte. Selbst ihre beste Freundin verstand sie nicht mehr. Was sie Camille aber keineswegs übel nahm, sie verstand sich im Moment ja selbst nicht.
»Darf ich mich zu dir setzen?«, fragte genau jene Stimme, vor der Lilith ein paar Minuten zuvor geflohen war. Sie schloss ergeben die Augen.
»Was ist, wenn ich Nein sage?«, erwiderte sie und hoffte, er würde einfach verschwinden … sich in Luft auflösen … unsichtbar werden … verpuffen oder was auch immer. Hauptsache, er ließ sie allein.
»Dann setze ich mich trotzdem.« Und schon gab die Bank unter seinem Gewicht knarzend nach.
Lilith stöhnte mit ihr um die Wette. »Was willst du?«
Er sah sie fragend an. »Nichts …«, hauchte er nachgiebig. Seine Stimme klang sanft. »Nichts, außer … Na ja, ich wünschte nur, du würdest dich an mich erinnern.« Er zuckte beiläufig mit den Schultern, fast so, als könnte er nichts für das, was ihn im Moment antrieb. Er wandte den Blick von ihr ab und starrte auf den See hinaus.
»Tu das nicht«, bat sie.
»Was?«
»Dir etwas wünschen. Es führt zu nichts, glaub mir. Das Sprichwort ‚Träume sind Schäume‘ gibt es nicht umsonst.« Wieder ruhte sein Blick fragend auf ihr. Es schien, als wartete er auf eine Erläuterung, also sprach sie weiter. »Ich habe mir vor einiger Zeit etwas
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