Liliths Hexenhöhle
Entdeckung, doch das musste er eingehen.
Er sah seine Mutter!
Fast wäre ihm die Klinke unter der Hand weggerutscht, so sehr hatte ihn der Anblick erschreckt. Auf seinem Gesicht erschien im Nu Schweiß. Er spürte zugleich, wie es kalt seinen Rücken hinabrann, und in seiner Kehle stieg ein Brennen hoch.
Das hatte er nicht erwartet. Äußerlich war seiner Mutter nichts passiert, aber sie musste etwas erlebt haben, das sie schwer erschüttert hatte. So jedenfalls sah sie aus, und auch der Blick und das heftige Atmen wiesen darauf hin.
Was war passiert?
Es drängte Johnny, die Tür noch weiter aufzustoßen und das Zimmer zu betreten, aber da gab es etwas, das ihn zurückhielt. Die innere Stimme, die Vorsicht und auch die Erfahrung hatten ihn das gelehrt. Es hing auch nicht mit Feigheit zusammen. Johnny wusste sehr genau, dass er strategisch vorgehen musste.
Er sah die fremde Frau lächeln.
Und dieses Lächeln gefiel ihm gar nicht. Es war so verdammt falsch. Wenn Schlangen in der Lage gewesen wären, zu lächeln, dann hätten sie sich so benommen. Für Johnny war dieses Lächeln einfach widerlich, und es wurde von seiner Mutter auch nicht erwidert.
»Was meinst du, wie sich dein Mann jetzt fühlt?« Die Frau lachte. »So fernab von seiner geliebten Frau. Er weiß, dass du nicht gewinnen kannst, dass ich besser bin, und genau das wird ihn zerfressen. Er steht in diesem Haus, er weiß nicht, was genau abläuft, und jetzt muss er noch hören, dass er reingelegt wurde. Du hast ihn dorthin geschickt, Sheila – du.«
»Nicht mit Absicht!«
»Das stimmt allerdings. Nur was jetzt passieren wird, geschieht mit Absicht. Deshalb bin ich auch zu dir gekommen. Von nun werde ich noch intensiver dein Schicksal werden.«
Wenn Johnny bisher noch geringe Zweifel gehabt hatte, so änderte sich das. Die Fremde war alles andere als eine Freundin seiner Mutter. Sie war eine Feindin.
Er sah, wie Sheila nach einem Ausweg suchte. Sie redete nicht davon, doch ihre Haltung sagte alles. Sie war nervös, sie drehte den Kopf, sie biss sich dabei auch auf die Unterlippe, was auch von dieser Frau beobachtet wurde, die den Kopf schüttelte und dabei mit leiser Stimme sagte: »Keine Chance...«
»Ich werde nicht freiwillig mitgehen!«
»Das weiß ich doch!«
»Hör zu, Corinna!« Sheila startete einen letzten Versuch, um die Person von ihrem Plan abzubringen. »Ich kenne mich auf bestimmten Gebieten gut aus. Nichts ist mir fremd, das weißt du, und ich habe auch Verständnis für vieles. Ich kenne genügend Menschen, die den falschen Weg geschritten sind. Der Weg zu Lilith und damit in die Nähe des Bösen kann nicht der richtige sein. Ich habe oft genug erlebt, wie alles im Chaos endete.«
Lilith?
Der Name war auch von Johnny gehört worden. Er stach regelrecht durch seinen Kopf. So fremd war er dem Jungen nicht. Er hatte ihn schon gehört, allerdings war ihm der genaue Zusammenhang unbekannt. Aber seine Mutter hatte wohl Recht. Er deutete auf etwas Böses hin und hing mit der Hölle zusammen.
»Du kannst mich nicht überzeugen. Unser Plan steht fest, und auf dich wartet die Hexenhöhle. Es ist wichtig für uns alle. Du bist es, andere auch, aber zunächst kümmern wir uns um dich. Denn durch dich wird es uns wieder besser gehen.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Keine Angst, wenn du dort bist, wirst du es verstehen. Es ist ganz einfach, wenn ich den Seelenkorridor erst aufgebaut habe, denn er ist der Weg zu ihr.«
Sheila wusste, dass jedes andere Wort vergebene Liebesmüh war. Sie schwieg deshalb, aber sie suchte nach einem Ausweg, das war auch ihrem Gesicht anzusehen.
Bisher hatte sich Johnny still verhalten, auch wenn es ihm schwer gefallen war. Plötzlich dachte er zurück an seine Kindheit und erinnerte sich daran, wie oft ihm die Mutter zur Seite gestanden und geholfen hatte. Sogar unter dem Einsatz des eigenen Lebens, denn das Schicksal der Conollys war alles andere als geradeaus verlaufen.
Er stieß die Tür weit auf. Es war seiner Meinung nach genau der richtige Augenblick.
»Was ist denn hier los?«, fragte er.
***
Mit seinem plötzlichen Erscheinen hatte keine der beiden Frauen gerechnet. Zwei Köpfe drehten sich in verschiedene Richtungen, aber die Augen hatten ein Ziel – die Tür.
Auf dem Gesicht seiner Mutter wechselte der Ausdruck. Johnny sah die Überraschung. Er entdeckte die Furcht. Er sah, wie Sheila zitterte und den Kopf schüttelte. Ihre Augen hatten sich geweitet, und die Lippen bewegten sich, als
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