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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Ouzerie, was irgendwie ein Unterschied ist. Den Namen der Ouzerie, der auf ein schiefes Brett gemalt war, übersetzte Stirling mit Dreiundzwanzig Nymphen hocken in einer Flasche .
    »Wieso dreiundzwanzig?« fragte Steinbeck.
    »Fragen Sie mich was anderes«, antwortete Stirling.
    »Lieben Sie Ihre Frau?«
    Das war Steinbeck so herausgerutscht. Augenblicklich griff sie sich mit der Hand an den Mund. Aber zu spät. »Entschuldigen Sie …«
    »Wir lieben unser Kind«, sagte Stirling. »Auch wenn es Tag und Nacht schreit.«
    Danach hatte Lilli Steinbeck eigentlich nicht gefragt.
    In einer Ecke der halbvollen, allein von Einheimischen frequentierten Nymphenkneipe saß ein Mann im Schatten seines Hutes. Davor, auf dem Tisch, befanden sich ein Stapel Bücher, ein Stapel Zeitungen sowie ein kleiner Teller mit glattem, weißem Käse, ein zweiter mit Stücken genoppter Fangarme, dazu ein Glas von hellem Schnaps. Sehr griechisch, dieser Tisch.
    Der Mann erhob sich, als er Steinbeck kommen sah. Er schien einer dieser Figuren zu sein, die mehr aus ihren Haaren als sonstwas bestehen. Man kann es nicht ändern, solche Männer erinnern an Affen, was aber wiederum nur jene als abwertend empfinden, die noch nie mit Affen zusammenwaren.
    »Ich bin Diplodokus«, sagte er und reichte Steinbeck die Hand. Aus seinem Bart lugte ein freundlicher Mund.
    »Schön, daß Sie Zeit für mich haben, Herr Professor«, dankte Steinbeck und stellte Stirling als den vor, der er war.
    »Zeit ist nicht das Problem«, sagte Diplodokus, wie man sagt: Wenn die Küche brennt, braucht man nicht zu kochen. Er wies auf zwei freie Stühle und winkte dann einem Kellner.
    »Ich darf doch Ouzo für Sie beide bestellen?« fragte er und erläuterte, es handle sich um eine spezielle Abfüllung aus Samos, die zwar illegalerweise erfolge, aber wenigstens der Gaumen dürfe hin und wieder jenseits des Behördlichen Befriedigung suchen. Dabei sah er Stirling entschuldigend an, welcher die Hände leicht anhob und seinen Segen zu dieser Ungesetzlichkeit gab.
    Wenig später standen drei gefüllte Gläser und allerlei kleine Vorspeisenteller auf dem Tisch. Neben Oliven, Bohnen und Käse auch Uneindeutiges. Weit uneindeutiger als die Tentakel von Tintenfischen. Der Ouzo jedenfalls war tatsächlich ausgezeichnet. Ein schöner Gruß aus Samos.
    »Sie sind also gekommen«, eröffnete Diplodokus, »um sich mit mir über Georg Stransky zu unterhalten. Ist das denn in seinem Sinn?«
    »Das ist sehr in seinem Sinn, glaube ich«, antwortete Lilli Steinbeck, führte ihre schmalen, langen Finger an ein paar von den Uneindeutigkeiten vorbei und faßte nach einer eindeutig schwarzen Olive.
    »Und wieso?«
    »Weil Herr Stransky höchstwahrscheinlich entführt wurde.«
    »Entführt?« Diplodokus verzog sein Gesicht ins Ungläubige.
    »Und jetzt möchten wir gerne herausfinden, zu welchem Zweck«, sagte Lilli.
    »Ach was! Geht es denn nicht um Geld?«
    »Wir haben im Moment eine Entführung ohne Entführer. Und weil wir – wir von der Polizei – lieber mit kompletten Bildern arbeiten, will ich wissen, was Stransky in Athen so getan hat.«
    Diplodokus erklärte, Stransky wegen dessen Spezialgebiet, den Alken, eingeladen zu haben.
    »Alken?«
    »Tauchende Seevögel der nördlichen Hemisphäre«, informierte Diplodokus. »Wobei sich der Herr Kollege Stransky vor allem für eine ausgestorbene Art interessiert, Alca impennis, auch Riesenalk, ein Tier, das Mitte des neunzehnten Jahrhunderts von der Bildfläche verschwand. Bedauerlich, aber logisch. Wenn man die Unarten des Homo sapiens bedenkt, diesen gewissen Hang zum Endgültigen und zum Berserkertum.«
    Diplodokus beschrieb, daß es sich beim Riesenalk um einen ausgezeichneten Taucher gehandelt habe, der allerdings weder fliegen noch sich an Land rasch fortbewegen konnte. Dazu kam, daß die Art sich mit einem Ei pro Jahr beschied.
    »Es ist extrem unvernünftig«, sagte der Professor, »nicht fliegen zu können, wenn man ein Vogel ist. Weil das einen nämlich zwingt, im flachen Land zu brüten, um schlußendlich das Opfer hungriger und brutaler Matrosen zu werden.«
    »Die Evolution«, äußerte Steinbeck, »konnte die Existenz von Matrosen nun mal nicht voraussehen.«
    »Richtig. Das ist ihr Makel. Stransky nennt es ›falsche Konzentration‹. Die Natur habe sich auf eine unsinnige, geradezu verspielte, in vielen Bereichen absurde Artenvielfalt eingelassen, anstatt wirkliche Gefahren zu berücksichtigen. Die Natur sei ein Maler, den seine

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