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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Frau, die üblicherweise um neun im Bett lag, wachte über die Welt.
    »Bin ich noch zu retten«, fragte sie sich, erlaubte sich aber gleich darauf ein positives Gefühl. So schlecht sah es gar nicht aus. Sie ließ sich auf das orangerote Sofa nieder, legte das Kind neben sich, sodaß sein Köpfchen mit dem Scheitel gegen ihren Schenkel drückte, und deckte den Körper, dessen Schweiß sie zuvor abgetupft hatte, mit einem dünnen Laken zu. Sie rückte ein wenig tiefer und preßte ihren Nacken in die weiche, runde Kante der Rückenlehne. Dann schlief auch sie ein.
    Manchmal ist die Welt einfach tot. Manchmal herrscht absoluter Friede.
    Der Friede hielt für seine Verhältnisse ausgesprochen lange an. Vier Stunden später erwachte das Kind, schreiend. Aber das tun Halbjährige nun mal. Nichts, was einen zu irritieren brauchte. Nicht nach vier Stunden gutem, echtem Schlaf. So ein Schlaf ist mitunter das Beste, was einem in einem Menschenleben zustoßen kann.
    Auch Lilli Steinbeck fühlte sich ausgeruht, obwohl sie nun schon zum zweiten Mal in Serie in aufrechter Position ihren Schlaf gehabt beziehungsweise ihn nachgeholt hatte. Inula war mit einem milden Lächeln im Zimmer erschienen – einem Lächeln für ihr Baby wie für Steinbeck –, hatte das Kind genommen und es an die Brust gelegt. Leon war nun endlich einmal so weit erholt, daß er die Milch ohne die übliche Unruhe zu sich nehmen konnte.
    Man frühstückte zusammen, dann ging Lilli unter die Dusche, wo sie eine gute halbe Stunde zubrachte. Sie onanierte in einer bedächtigen Art, rücksichtsvoll gegen den eigenen Körper. Als sie ihren Höhepunkt erreichte, war das wie das Gefühl angesichts einer aufgeräumten Wohnung.
    »Ich muß zum Flughafen«, sagte Steinbeck, als sie aus dem Badezimmer kam. Sie hatte ihr Löcherkleid mit einem schwarzen, hochgeschlossenen Hosenanzug getauscht. Dazu trug sie eine dieser eulenäugigen Sonnenbrillen von Chanel und ein Kopftuch in dunklem Rot und kräftigem Gold mit einem Muster, das aussah wie ein superdünn zusammengepreßtes Königspalais. Um Hals und Schulter hatte sie ein Tuch von derselben Art, bloß mit ein paar grünen Streifen darin, gewissermaßen den Park zum Palais. Sie stand in schwarzen, spitz zulaufenden, für ihre Verhältnisse relativ niedrigen und robusten Schuhen. Darunter schwarze Strümpfe. Auf dem Handgelenk eine Uhr, die nicht gleich in Reparatur ging, wenn man sie einmal anhauchte. Über der Schulter hing eine Ledertasche von der Farbe passierter Erbsen, in die sie – neben das übliche kleine Fläschchen Whisky – ein Paar schwarzer Seidenhandschuhe hineingetan hatte. Sowie jenes längliche Portemonnaie, das ihr Dr. Antigonis übergeben hatte. Außerdem hatte sie einen kleinen, einen wirklich kleinen Koffer gepackt, so einen wie Grace Kelly ihn in Fenster zum Hof James Stewart zeigt, um den Heiratsunwilligen von ihren praktischen Fähigkeiten zu überzeugen. Wobei sich versteht, daß Lilli Steinbeck nicht wie Frau Kelly ein Stumpfsinn verratendes, geschmackloses Nachthemd samt lächerlichen Hausschühchen eingesteckt hatte, sondern ein paar Dinge, die eine gewisse Hygiene und eine gewisse Wetterfestigkeit garantierten.
    Man kann also sagen, daß Lilli Steinbeck bereits vollkommen auf ihren Jemenaufenthalt eingestellt war. Dies entsprach ihrem Arbeitsprinzip, lieber zu früh als zu spät sich einer neuen Situation anzupassen, um dann nicht in eine unschöne Hektik zu verfallen. Sie würde, bevor sie in Kairo den Flieger betrat, sich nur noch einen schwarzen Rock umbinden müssen. Was nicht hieß, daß sie vorhatte, sich zu verschleiern. Um Gottes willen nein. Selbstverständlich war es wichtig, die Position einer selbstbewußten, wenn nicht sogar einer etwas herrischen Westlerin zu behaupten. Aber eben unter den Anführungszeichen einer Etikette, die man besser oder schlechter erfüllen konnte. Und Steinbeck gedachte, sie in hohem Maße zu erfüllen. Schließlich war sie kein Dämon, den Allah schickte, um seine Leutchen auf die Probe zu stellen.
    Da stand sie also in ihrer Jemenausrüstung und sagte: »Ich muß zum Flughafen.«
    »Warum das denn?« fragte Stirling, dessen Augenpaar im weißen Licht an eine Eisfläche erinnerte, unter der etwas schimmerte, was ebensogut eine Leiche wie ein Holzstamm sein konnte.
    »Ich reise in den Jemen, nach Sanaa. Möglich, daß ich Stransky dort finde.«
    »Jemen?«
    »Es ist nicht so, wie Sie denken. Es sind nicht die Jemeniten, die ihn entführt

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