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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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haben.«
    »Nicht?«
    »Sanaa stellt so eine Art Startloch dar. Ich will nur hoffen, daß Stransky nicht soeben darin krepiert.«
    Stirling erklärte kleinlaut, es sehr schade zu finden, daß Steinbeck ihn und seine Frau und Leon verlasse, jetzt, wo sie sich doch so gut mit dem Kind verstehe.
    »Ich verstehe mich nicht gut mit Ihrem Kind, Stavros. Wenn Sie das kapieren, kommen Sie ein ganzes Stück weiter.«
    »Mag sein«, reagierte Stavros trotzig, »dennoch ist es ein Schlag, daß Sie plötzlich gehen.«
    Steinbeck fühlte sich wie eine Madonna, die nur leider Gottes nicht überall gleichzeitig sein konnte. Aber es war ein gutes Gefühl. Sie wollte lieber eine umtriebige Madonna sein als eine umtriebige Kriminalistin. Oder wenigstens eine Kriminalistin als Madonna. Sie sagte: »Ich erledige das und kehre dann wieder zurück.«
    »Nach Athen?«
    »Na, immerhin muß ich Kallimachos hier abliefern.«
    »Was? Sie nehmen ihn mit?«
    »Natürlich. Ich habe ihn doch erst gestern engagiert.«
    »Aber …«
    »Kein aber«, bestimmte Steinbeck, küßte Inula, küßte den schreienden Leon, schenkte Stavros einen mütterlich mutspendenden Blick und verließ die Wohnung.
    Meistens ist die Welt natürlich weder tot, noch herrscht Friede. Allerdings bleibt sie bei alldem ziemlich klein. Am Nachmittag des gleichen Tages trat Lilli Steinbeck aus einer Damentoilette des Kairoer Flughafens, wo sie sich mit einem Schuß 4711 frischgemacht und ihre Anzughose durch einen schwarzen, bodenlangen Rock ersetzt hatte. Natürlich wäre auch die Hose geeignet gewesen, ihre Beine zu verdecken, aber sicher nicht die Form ihrer Beine.
    »Jetzt sind Sie perfekt«, sagte Kallimachos, der sich mit beiden Händen auf seinen Stock stützte und inmitten vorbeieilender Flugpassagiere eine Barriere bildete. Er trug einen dunkelgrauen Anzug, unter dem es ein wenig zu brodeln schien. Das ganze Wasser in seinem Körper kochte und das Fleisch im Wasser. Kochte auf kleiner Flamme. Kallimachos war eine wandelnde Rindsuppe. Auf dem blanken Schädel hatte er einen Hut aus schwarzem, steifem Leinen. Seine Augen blickten noch immer durch die gelblichen Scheiben seiner Brillengläser. Was fehlte, war die Zigarette. Rauchverbot! So ein Flughafen war ein verdammter Ort. Es wird die Zeit kommen, da die Menschheit von Flughäfen aus ihren Gang in die Hölle antritt.
    Aber noch war Zeit. Das Purgatorium auf keiner der Anzeigetafeln zu lesen, sondern bloß die Namen der üblichen Kaffs. Auch Sanaa.
    Steinbeck und Kallimachos gelangten als letzte ins Flugzeug, eine saubere Maschine, in der fast nur Geschäftsleute saßen. Man begab sich in die erste Klasse. Natürlich war der Sitz zu klein für Kallimachos. Ein Glück, daß Lilli ein Stückchen von dem ihren abgeben konnte. Das hatte etwas von den Tagen, die kürzer werden, damit die Nächte länger werden können. Es hatte etwas Vollkommenes.
    Kallimachos jedoch fragte im Ton einer umgestürzten Häuserwand: »Halten Sie das wirklich für eine gute Idee, mich mitzunehmen? Ich werde Sie behindern. Andauernd. Wir werden ständig zu spät kommen.«
    »Fangen Sie nicht auch noch an«, bat Steinbeck.
    »Okay. Kein Wort mehr darüber. Wir werden schwitzen, wir werden frieren, und wir werden uns schwertun, einen guten Schluck Alkohol zu kriegen. Aber so soll es wohl sein.«
    Lilli Steinbeck lächelte bitter. Ja, die Sache mit dem Alkohol sah natürlich wirklich nicht rosig aus. Zumindest, wenn man sich von den Hotels entfernte. Aber richtige Trinker kamen immer irgendwie an ihren Alkohol. Überall auf der Welt.
    Lilli nippte am Kaffee und sah aus dem Fenster. Unter ihnen lag die Westküste der Arabischen Halbinsel und glänzte wie ein soeben lackiertes Gebiß, in dem der eine oder andere goldene Zahn einsaß. Steinbeck kannte diesen Flecken Erde eigentlich nur aus Satellitenbildern. Eine Wüste, in die man Fördertürme gerammt hatte und daraus eine dubiose Art von Berechtigung vor der Welt bezog. Eine Ölexistenz. Doch das jemenitische Sanaa würde anders sein, hoch oben, umgeben von Gebirge, rückständig, mit Krummdolchkultur und zauberischer Altstadt. Und irgendwo ein Mann namens Stransky, der wohl einigermaßen erstaunt sein mußte, zu sein, wo er war.

6
    Im Land der dicken Backen
    Wenn jemand aus einer tiefen Ohnmacht erwacht, ist das ein jedes Mal so wie damals, als er auf die Welt kam. Ob man nun aus einem Mutterleib gerutscht, aus irgendeiner Art von Ei gebrochen oder aus einer Puppenhülle geschlüpft war. Ob man

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