Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
wert, als in diesem Kuvert steckt. Sie müssen noch was drauflegen. Ich …«
»Unverschämter kleiner Bastard«, sagte Desprez und stand auf. »Es wird Zeit, daß jemand Sie ein bißchen erzieht. Ich fange jetzt mal damit an.«
Desprez war zornig. Nicht nur, weil ihn solche Kretins anwiderten, schmierige Zuträger. Ihm gefiel die ganze Entwicklung nicht. Als genügte es nicht, daß Stransky aus dem Jemen entkommen war, ging die Reise nun nach Saint Paul. Ausgerechnet! Desprez kannte die Insel, so wie man eine Frau kennt, der man eine nette, kleine Krankheit verdankt. Er war einmal dort gewesen, vor zwanzig Jahren. Und hätte nie gedacht, nochmals seinen Fuß auf dieses Eiland setzen zu müssen. Daß er dies nun tun würde, bereitete ihm Ärger und Kopfschmerzen. Wenn Dinge sich wiederholten, war das ein schlechtes Omen. Wiederholungen waren Zeichen. Sie waren in jedermanns Schicksal hineingesetzt wie kleine Warnschilder, an die man sich hätte halten müssen. Tat nur niemand.
Auch Desprez nicht. Natürlich nicht. Er mußte Stransky folgen. Na, wenigstens wollte auch er ein Zeichen setzen, ein Zeichen seiner Verärgerung. Er sagte: »Seien Sie froh, wenn Sie am Leben bleiben.«
Was nun also bedeutete, daß Desprez das Honorar des Informanten nicht weiter erhöhte, sich abwandte und den solcherart Geschädigten in seinem dunklen Fluchen zurückließ.
Bei seiner Mitarbeiterin Palanka angekommen, sagte Desprez: »Wir brauchen ein Flugzeug. Und wir brauchen Fallschirme.«
Nun, alle diese Leute, wie sie hier standen, waren ausgebildete Fallschirmjäger, auch die Frauen, und nicht zuletzt Desprez. Es waren Menschen, die gelernt hatten, daß es keinen Ort auf der Welt gab, an dem man nicht ziemlich punktgenau landen konnte. Mitten im Garten während eines Kindergeburtstages genauso wie auf Hochhausspitzen. Eine Siebenquadratmeterinsel war so gesehen eine Lappalie, wenngleich die Winde, die um Saint Paul wirbelten einen schlechten Ruf besaßen.
»Ein Flugzeug, sehr wohl«, sagte Frau Palanka. Wie ein Apotheker sagt: »Ein Aspirin, aber gerne.«
Als Desprez und seine Mannschaft das Zur Vollendung der Welt verlassen hatten, bestellte der Mann – der jetzt ein Kuvert in der linken Hand hielt, ein Kuvert, aus dem alles Weiß herausgeflossen war – einen doppelten Rum und murmelte vor sich hin, von wegen Scheißfranzosen und so weiter.
Eine Stunde saß er so da, starrte in die Kerzenflamme und konsumierte mehrere Gläser. Am Ende dieser Stunde ging die Türe auf, und ein Mann und eine Frau traten ein. Die Frau trug ein luftiges, kurzes, bei aller Luftigkeit enganliegendes Kleid, dessen farbiges Streifenmuster bei aller Farbigkeit kompakt wirkte. Die Frau sah aus wie frisch gebadet. Ihr Begleiter hingegen wankte im Sturm der Hitze. Sein Schnaufen übertönte die Gluckergeräusche der Männer an der Bar.
Lilli Steinbeck und Spiridon Kallimachos sahen sich um. Der Mann, der im Dunkel saß, fächelte mit dem Kuvert in seiner Hand.
»Da ist er«, sagte Steinbeck, hängte sich bei Kallimachos ein und führte ihn an den Tisch, an den man sich setzte und ebenfalls Rum bestellte. Hausrum.
»Haben Sie das Geld dabei?« fragte der Informant.
»Haben Sie die Information dabei?« fragte Steinbeck.
»Zuerst das Geld.«
Steinbeck grinste mitleidig und kommentierte: »Kindereien.«
Gleichzeitig legte sie eine Börse auf den Tisch. Der Informant griff danach, öffnete sie, zählte nach, war zufrieden. Dann offerierte er haargenau dieselbe Geschichte, die er eine Stunde zuvor Desprez vorgetragen hatte. Er ließ nichts aus, fügte nichts an. Als er aber an den Schluß gelangt war, sagte er: »Da ist noch etwas. Sie sind nicht alleine.«
»Ja, das sind wir ganz sicher nicht«, stimmte Steinbeck zu.
»Ich meine, daß ich vor einer Stunde jemand anders das gleiche erzählt habe, von Stransky und Vartalo und Lulu und Saint Paul.«
»Wem?«
»Die Frau heißt Palanka, aber wie der Mann heißt, weiß ich nicht. Ein widerlicher kleiner Franzose. Sehr unangenehm.«
»Halten Sie es für clever, an beide Seiten zu verkaufen?«
»Solange ich es nur einer Seite gegenüber zugebe, denke ich, mache ich es richtig.«
»Na, dann viel Glück«, wünschte Steinbeck und half Kallimachos, der kein einziges Wort gesprochen, keine einzige Frage gestellt hatte, wieder in die Höhe. Kallimachos roch wie ein offener Siphon. Er schien jetzt bewußtlos wie so oft, die Augen halb geschlossen.
Draußen vor dem Lokal blickte Steinbeck hinauf zu der
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