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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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sondern von sich aus verdorben und giftig. Wie Pilze giftig sind oder Schlangen. Man kann Pilze und Schlangen nicht überreden, plötzlich nicht mehr giftig zu sein. Es ist Unsinn, zu meinen, man bräuchte diesen Jugendlichen nur eine bessere Zukunft zu versprechen, Ausbildungsplätze, Arbeitsplätze, ein nettes Heim. Als ginge es darum.
    (Stransky hätte erwidert, daß beispielsweise die hochtoxischen Baumsteigerfrösche ihre Giftigkeit verlieren, sobald sie sich im geschützten Raum eines von Feinden freien Terrariums befinden. Aber so ein Argument hätte Desprez wohl kaum beeindruckt.)
    »Hübsch hier«, sagte Desprez. »Wie am Arsch von Paris.«
    Als die Jugendlichen sahen, was für Gestalten den beiden Kleinbussen entstiegen, schrumpften sie ein wenig und traten deutlich zur Seite. Desprez’ Mannschaft bestand aus Leuten, die an fleischgewordenes Kriegsspielzeug erinnerten und daran, wie schlecht solches Spielzeug für eine gesunde Entwicklung ist. Nur Frau Palanka, so sehr auch vom Kirschenessen mit ihr abgeraten werden mußte, verfügte über eine elegante Note. Selbst noch ihr Gang, den sie mit schweren Stiefeln absolvierte. Auch besaß sie bei aller Strenge ein adrettes Gesicht. Ihr Augenpaar hatte etwas von urzeitlichem Wasser, das in einen Kristall eingeschlossen war. Wasser, das sich bewegen ließ. Man konnte sich vorstellen, daß Palanka mit diesen Augen auch zu lachen verstand, wenn ihr nach Lachen war.
    Allerdings war man nicht zum Vergnügen hierhergekommen, in diese Kneipe, die ihren Namen kaum verdiente. Zumindest wenn man sich den Begriff der Vollendung als etwas Gelungenes, Stimmiges und Schönes dachte. An diesem Ort aber mußte man das Erreichen des Gipfels im Sinne einer Bestrafung verstehen. Wenn dann also die Welt endgültig den Bach hinunterging.
    Die lange Theke sah aus, als wäre ein Zug mitten ins Lokal gekracht, und als handle es sich bei den Männern an der Bar um die zum Teil schwerverletzten Fahrgäste des Zuges. Offensichtlich war es der Feuerwehr nicht gelungen, Wrack und Unfallopfer wieder aus dieser Kneipe herauszuschneiden und zu -fräsen. Es gab Unfälle, die sich ewig hielten.
    »Dort drüben«, sagte Palanka und wies in eine Ecke des Raums. Hinter einem runden Tisch, auf dessen verbeulter Holzplatte eine Kerze aus einem Gurkenglas stand und eine windschiefe Flamme produzierte, saß ein Mann, der so dunkel wirkte, als hätte er sich mit schwarzer Erde eingerieben. Er war kaum auszumachen in dem finsteren Teil des Raums. Das Licht der Kerze zuckte gleich einem Glühwürmchen und ließ den Mann praktisch unbeleuchtet.
    »Laßt mich allein mit ihm«, sagte Desprez und wies Palanka und die anderen an, im vorderen Teil der Kneipe zu warten. Er selbst ging nach hinten und setzte sich an den Tisch des sogenannten Informanten.
    »Ich spreche nur mit Palanka«, erklärte der Informant in einem spanisch klingenden Französisch.
    »Was verlangen Sie von mir?« fragte Desprez. »Daß ich Ihnen die Augen aussteche, damit Sie mich ernst nehmen und sich Frau Palanka aus dem Kopf schlagen?«
    »Hey, Sie …«
    »Ja?« Desprez fuhr sich aufreizend über die Lippe.
    »Wer sind Sie überhaupt?« fragte der dunkle Mann und schob sein Gesicht ein wenig vor. Man sah jetzt, daß es ein Weißer war. Ein Weißer, der absolut nichts Weißes an sich hatte. Einer dieser Menschen, die alles Helle um sich und an sich aufsaugen. Selbst noch das Weiß in ihren Augen.
    »Wer ich bin?« wiederholte Desprez die Frage und gab sie sogleich zurück: »Was glauben Sie denn?«
    »Hören Sie auf damit«, forderte der Mann aus dem Dunkel heraus. »Schieben Sie lieber das Geld rüber.«
    Desprez reichte dem Mann ein Kuvert, welches dieser mit einer Fiebrigkeit öffnete, als schraube er eine Flasche Gin auf. Er holte die Scheine heraus und zählte sie. Dann sah er auf, verzog seinen Mund zu einer Delle und sagte: »Das ist nicht … Palanka hat mir mehr versprochen.«
    »Ich werde noch beurteilen«, erklärte Desprez, »ob Ihre angeblichen Informationen das volle Geld wert sind.«
    »Mit mir können Sie nicht handeln«, meinte der Mann und war im Begriff, sich zu erheben.
    Desprez tippte mit dem Finger auf die Tischplatte und sagte sehr ruhig: »Bleiben Sie sitzen. Und hören Sie auf, mich zu ärgern. Bitte!«
    Das Bitte! schien zu überzeugen. Es besaß einen Klang, dieses Bitte, wie wenn jemand eine Schere gerade durch ein Papier zieht und dabei versehentlich einen fremden Fingernagel abzwickt. Oder auch nicht

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