Lilly Höschen (01): Walpurgismord
Bank zu gehen.«
»Na prima, und unterwegs überlegst du es dir anders und gehst zur Polizei.«
»Wieso sollte ich zur Polizei gehen, wenn ich doch angeblich eine Steuerhinterzieherin bin?«
Jetzt hatte Lilly eine Idee, die ihr angesichts ihrer wieder aufkeimenden Wut gut in den Kram passte und sie sagte beschwichtigend: »Jetzt lass uns erst mal einen Kaffee trinken. Das belebt den Geist, und dabei fällt uns dann schon eine Lösung ein.«
Sie nimmt die halbvolle Kanne von der Kaffeemaschine und hält eine Tasse vor sich. Dann geht sie auf Maximilian zu und schenkt ein. Sie tut so, als ob sie die Tasse vor ihn auf den Tisch stellen will, dann kippt sie den Inhalt auf seinen Schoß und haut ihm die Kanne mit voller Wucht an den Kopf. Die Kanne zerspringt allerdings nicht. Maximilian schreit, fasst sich in den Schritt. Die Pistole landet dabei auf dem Fußboden direkt vor Lillys Füßen. Sie ergreift sie und richtet sie auf Maximilian, während sie sich zur Tür begibt und ins Esszimmer rennt. Maximilian ist mit zwei Sprüngen an der Spüle, macht ein Geschirrtuch nass, reißt sich die Hose runter und kühlt sich seine verbrühten Teile. Währenddessen hat Lilly die Küchentür abgeschlossen und den Notruf betätigt. Ganz beherrscht spricht sie ins Telefon:
»Lilly Höschen, Lautenthal, Am Schulberg. Schicken Sie sofort Hilfe. Ich werde gerade überfallen. Der Mann hat eine Waffe. Nein, eigentlich habe ich die Waffe jetzt. Und schicken Sie auch einen Krankenwagen.«
»Wer ist denn verletzt und wie schwer?«
»Der Täter ist verletzt. Ich habe ihm seinen Schniedelwutz verbrüht. Nun machen Sie hin!«
Lilly hatte das Gespräch weggedrückt und konnte nicht mehr hören, wie die Stimme am anderen Ende lachte.
Kommissar Schneider und Gisela befanden sich in ihrem Wagen gerade am Ortausgang von Lautenthal, als sein Handy sich bemerkbar machte.
»Ja, was gibt es?«
»Es ist gerade ein Notruf eingegangen. Lilly Höschen wird überfallen. Von einem bewaffneten Mann. Sie hat auch einen Krankenwagen angefordert. Angeblich hat sie dem Täter den Schniedelwutz verbrüht.«
Schneider wusste mit dieser Information zunächst nicht recht umzugehen. Er war einfach nur erstaunt und rief dann: »Gisela, sofort umdrehen! Wir müssen zu Fräulein Höschen. Sie wird gerade überfallen.«
Die Haustür war offen, und Schneider und seine Assistentin betraten das Haus mit gezogener Waffe. Es war ein Bollern zu hören, weil Maximilian gegen die Küchentür trat, und Lilly rief von oben: »Kommen Sie hoch. Der Täter ist in der Küche.«
Schneider öffnete die Küchentür mit einem Ruck, und Gisela hielt Maximilian ihre Waffe entgegen. Kurz darauf brach sie in Lachen aus. Maximilian Schmecke stand mit heruntergelassener Hose da und hielt sich ein Handtuch zwischen die Beine. Ein paar Minuten später kamen ein Polizeiwagen mit Blaulicht und ein Notarztwagen. Der Arzt versorgte Maximilian in Lillys Esszimmer, was diesem mehr als peinlich war. Danach begleiteten ihn zwei Polizisten ins Krankenhaus.
»Mein Gott, Fräulein Höschen, was war das denn?«, wollte der Kommissar wissen.
Sie erzählte in allen Einzelheiten, was passiert war und schloss mit der ängstlichen Frage:
»Ob ich wohl jetzt auch in den Knast muss?«
Schneider sah sie entgeistert an und fragte: »Warum, um Himmels Willen, sollten Sie in den Knast müssen?«
»Na, wegen Steuerhinterziehung.«
Der Kommissar lächelte sie an und sagte: »Fräulein Höschen, Sie haben gerade einen mutmaßlichen Mörder zur Strecke gebracht.«
»Was? Welchen Mörder?«
»Wir müssen davon ausgehen, dass Herr Schmecke Frau Gutbrodt auf dem Gewissen hat.«
»Mein Gott, Herr Kommissar! Das glaube ich nicht. Er ist zwar ein Tunichtgut. Und es hat mich auch erstaunt, dass er mit einer Waffe herumgefuchtelt hat. Aber ein Mörder?«
Schneider beschwichtigte weiter: »Wie auch immer. Der Staatsanwalt wird jetzt derart beschäftigt sein, dass er sich wohl kaum um die Steuererklärung einer pensionierten Lehrerin kümmern wird. Wenn Sie Probleme mit der Steuer haben, dann wenden Sie sich an Ihren Steuerberater oder einen Anwalt. Sie haben ja einen in der Familie. Also, jetzt atmen Sie erst mal durch und machen sich keine Sorgen.«
Ein Polizist trat heran und sah Schneider an. Er hatte die Waffe in einem Plastikbeutel, den er hochhielt: »Übrigens, bei dieser Pistole handelt es sich um ein Spielzeug.«
Lilly schaute ganz entsetzt und sagte: »Mein Gott, dann hätte ich diesen blöden
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