Lillys Weg
Instrumente. Lefti folgte ihrem Blick: âDas sind ÂEftychis und Nektarios. Sie fahren mit Thomas, einem der besten Tanzlehrer Europas, zu einer groÃen Veranstaltung nach Deutschland.â Er zeigte auf einen attraktiven, dunkelhaarigen, jungen Mann, der sich angeregt mit einem Paar auf Griechisch unterhielt. âIch kenne ihn gut, er wird heute Abend mit uns tanzen.â Und wie durch ein Wunder bekam das Leben für Lilly plötzlich einen anderen Geruch. Es duftete nach Nektarinen und sie merkte, wie sich ihr Körper langsam entspannte. Sie packte ihre Verzweiflung in eine Kiste und sperrte sie für den heutigen Abend gut zu. Leftis Lokal war eine griechische Insel und sie war hier für ein paar Stunden auf Urlaub. Irgendwann stand Thomas auf, rief den Musikern âParakalo Hassapikoâ zu und begann sich dann im Takt der Musik in einer bestimmten Schrittfolge zu bewegen. âPameâ, los gehtâs, rief er den Gästen zu, und nach ein paar Minuten tanzten fast alle Griechen im Lokal mit einer Leidenschaft, Schönheit und Hingabe, dass Lilly sich danach sehnte, zu den Tänzern zu gehören. Thomas, so als ob er sie gehört hätte, holte nach und nach alle, die sich von ihm anlocken lieÃen, in seinen offenen Kreis. Dann bat er die Musiker, für einen ÂAugenblick ihr Spiel zu unterbrechen, und zeigte langsam die Schritte des Hassapikos vor, der die Grundlage für den Tanz in dem Film Alexis Sorbas gewesen war. Ralf stand auf und zog seine Freundin mit sich ans Ende der Reihe. Es dauerte nur ein paar Minuten, und alle Neuankömmlinge hatten die Schrittfolge verstanden. AuÃer Lilly. Als sie später den Abend bei Lefti auf ihrem weiÃen Sofa reflektierte, kam die umgeprügelte LinksÂhänderin zu Besuch.
In den nächsten Wochen vergaà Lilly Weihnachten für eine Weile. Sie lebte auf der Insel der Linkshänder . Ralf hatte ihr als begleitende Lektüre zu ihren Recherchen diesen Roman von Alexandre Jardin auf den Schreibtisch gelegt. Sie fühlte sich plötzlich einer neuen Gemeinschaft zugehörig. Es war die Geschichte von Menschen, die auszogen, um mit Gleichgesinnten ein Land zu finden, in dem sie nicht diffamiert wurden und zu den AuÃenseitern gehörten. Ein Land, in dem Linkshänder passende Kartoffelschäler und Scheren, aber vor allem Wertschätzung für ihr Anderssein fanden. Parallel dazu beschrieb sie in einer groÃen Reportage, was im Gehirn von Kindern anÂgerichtet wird, die ihre natürliche Orientierung zwangsweise aufgeben müssen.
Es war am 22. Dezember, als Lilly ihr Auto demonstrativ vor der Tür in der Servitengasse vollpackte. Sie beobachtete aus den Augenwinkeln die umstehenden Autos. Sie wusste, dass ein Polizist in Zivil ihr dabei zusah. Wie lange konnte sich ein Staat eigentlich leisten, für eine einzelne Frau rund um die Uhr Personal abzustellen? Sie musste Rudi fragen. Es war ein gutes Gefühl, dass sie ausnahmsweise nichts Verbotenes vorhatte. Sie würden in den Bregenzerwald fahren, Oskars Sicherheit hatte höchste Priorität. Es war ihr inzwischen geglückt, sich damit abzufinden, und Lea freute sich auf ihre GroÃmutter und den Schnee. Letzte Woche hatte es im Westen so viel geschneit, dass der Arlberg tagelang gesperrt war. Für Wien hatte es nicht gereicht. Es trug seine Nebeldecke wie einen schmutzigen Wintermantel.
Mit Oskar hatte sie schon seit zwei Wochen nicht mehr telefoniert. Es wurde immer schwieriger, weil ihr die sicheren Wohnungen ausgegangen waren. Gestern beim Abschiedsessen in Johannas Wohnung hatte Rudi eine neue Idee mitgebracht: âDu kannst doch ab jetzt in Hotels telefonieren. Es gibt so viele davon, und bis die Post es schafft, sich einzuklinken, bist du schon lange wieder weg.â Aber das war teuer, und Lilly machte sich Gedanken um ihre finanzielle Zukunft. Oskar hatte kein Einkommen und keine Ersparnisse, sein Geld war in dem Haus in Salzburg, in dem Clarissa wohnte, und ihres in der Servitengasse und in Psychologie Morgen gebunden. Die Wohnung, in der ÂVater in der Porzellangasse gelebt hatte, war gemietet gewesen, und er hatte sein Vermögen in ein marodes Unternehmen investiert und wurde von seinem Geschäftspartner betrogen.
Sie fuhr zügig auf der Westautobahn und kümmerte sich nicht darum, ob ihr jemand folgte. Sie würden in Tirol Rast machen, und dass sie dort einen Priester besuchen würde, war normal für
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