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Lillys Weg

Lillys Weg

Titel: Lillys Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate E. Daimler
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flüstert: „Ich weiß, und ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie es mir so einfach gemacht haben, verschwiegen zu sein.“
    â€žMorgen nehme ich sie wieder aus der Schule“, sage ich laut. „Wir feiern unser neues Leben, ich will zu meinem Mann.“
    Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass ich mich nicht mehr beobachtet fühle, als wir auf die Straße treten und zu meinem Auto gehen. Die Beamten bewachen jetzt jemand anderen. Wir sind frei. Frei, unsere Wege zu gehen, frei, ganz offiziell mit unserem Gepäck zu verreisen.
    Wir singen im Auto. Ausgelassen und laut, und Lea besteht darauf, dass sie die Pässe herzeigen möchte, als wir nach drei Stunden an die Grenze kommen. Sie macht das Fenster im Fond auf und strahlt den Beamten an: „Ich habe einen deutschen Pass, wollen Sie ihn sehen?“
    Unser Haus am See in Oberbayern. Es ist winzig, und gleichzeitig sind wir jetzt offiziell hier zu Hause. Es ist wie ein Rausch von Freiheit. Einkaufen zu gehen ohne Angst vor Entdeckung. Bei unseren Radtouren einkehren, wo es uns gefällt, mit unserem eigenen Namen geräucherte Forellen bestellen und abholen. Im Kopierladen steht auf dem Abholschein der Name Baldini. Wir nehmen ein Vollbad im „Normalsein“. Hier im Dorf scheint uns niemand zu erkennen.
    Im Hintergrund arbeitet die Kieler Staatsanwaltschaft an der Anklageschrift. Aber ich ziehe einen Vorhang aus Glück vor diese Tatsache und achte darauf, dass kein Spalt offen bleibt.
    Und es gibt noch etwas, was mich froh macht: Niklas kommt mit uns nach Hause. Die Anwälte haben Oskar dringend empfohlen, „einer geregelten Tätigkeit“ nachzugehen. Er wird nächste Woche in einer Gärtnerei anfangen. Nicht, weil er etwas davon versteht, sondern weil Chris den Besitzer kennt, der ihn einschulen wird.
    Wenn das Leben eine Fieberkurve mit Zacken ist, dann gab es von nun an die meiste Zeit Normaltemperatur. Ein Alltag in Wien, zu dem gehörte, dass Niklas noch eine Weile in die Kindergruppe und dann im Herbst zur Schule ging. Er fügte sich ohne große Anpassungsschwierigkeiten wieder ein, als ob er nie weg gewesen wäre. Das Einzige, worüber sich die Betreuerinnen in der Kindergruppe beschwerten, war die Tatsache, dass er kaum mit den anderen Kindern spielte, sondern die meiste Zeit auf Bäumen saß, wenn sie in den Türkenschanzpark fuhren. Er war es nicht mehr gewöhnt, in größeren Gruppen zu leben. Lea hatte ihre Leidenschaft für die Pfadfinder entdeckt und wollte ihre Mutter, die das ablehnte, dazu überreden, mit den anderen Eltern bei einem Ausflug ein Matratzenlager zu teilen.
    Lilly war wieder mehr für Psychologie Morgen da und setzte ihre Serie über „Die Ausgeschlossenen“ fort.
    Als Ralf sie vor ein paar Jahren dazu gezwungen hatte, in der Redaktion einer Umstellung auf Computer zuzustimmen, war sie wochenlang auf ihn sauer gewesen. Sie hatte getrotzt, ihn täglich mehrmals geholt, weil sie nicht verstand, warum ein Text plötzlich wieder verschwunden war. Sie wollte dieses neumodische Zeug nicht und war vor allem davon genervt, dass diese Dinger so „laut schnauften“. Er hatte einiges mit ihr durch­gemacht, aber heute war sie ihm dankbar.
    Sie würde mit dem Computer am See arbeiten können und fertige Texte mitbringen, die dann nur noch gedruckt werden mussten. Die Arbeit des Setzers war überflüssig geworden und sparte Zeit. Wenn es Entwürfe gab, würden sie mit Fax übermittelt werden können. Auch dagegen war sie zunächst gewesen, wie gegen alles, was ihr „umgeschultes Linkshändergehirn“ als Gegner empfand.
    Die Fahrten zu Oskar wurden zur angenehmen Routine. Nicht jedes Wochenende, denn er fuhr neben seiner Arbeit in der Baumschule, die ihm Spaß machte, immer wieder nach Kiel, wo seine Verteidiger ihm tausend Fragen stellten. Wenn er von der Ostsee zurückkam, war er meistens schweigsam. Er wollte Lilly keine Details erzählen, und sie wollte es auch nicht wissen. Manchmal wunderte sie sich über sich selbst. Eine Journalistin, die keine Fragen stellte … Sie hörte ihm lieber zu, wenn er von den Gärten seiner Kunden erzählte, in denen er Bäume pflanzte und Beete anlegte. Es war so schön, dass es wieder normalen Gesprächsstoff gab.
    Manchmal machte die Fieberkurve eine große Zacke nach oben, zum Beispiel an Weihnachten. Aber das ist in anderen Familien auch

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