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Lillys Weg

Lillys Weg

Titel: Lillys Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate E. Daimler
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die beim Österreichischen Fernsehen als Maskenbildnerin arbeitete, in kunstvolle Locken gebändigt worden. Das champagnerfarbene, bodenlange Kleid betonte ihren schmalen Körper. Sie hatte Mutters zarten Knochenbau und Vaters Größe geerbt und bezeichnete sich nur selten, wenn der Himmel tief hing, als dünne Vogelscheuche. Sie bewegte ihre Arme wie Flügel und sah fasziniert zu, wie der spinnwebendünne Stoff der Ärmel sich im Windhauch bewegte. „Elfe“, schön und heute so fremd. Aber vielleicht ging es gar nicht um ihr Aussehen. Ihre Hochzeit mit Oskar war ein gelungenes, opulentes Fest, und gleichzeitig fühlte sie sich wie eine Nebenfigur in der von Paolo kunstvoll choreografierten Inszenierung. Die meisten Gäste hatte sie heute zum ersten Mal gesehen, und ihre eigenen Freunde sahen inmitten dieser aufgedonnerten, feinen Gesellschaft wie die armen Verwandten vom Land aus.
    Mit einem tiefen Atemzug beschloss Lilly, dass sie nur undankbar war. Sie hatte allen Grund, froh und glücklich zu sein, und stieg wieder in ihre zu engen, cremefarbenen Satinschuhe, die aus dem gleichen Stoff wie das Kleid angefertigt waren. Paolo hatte darauf bestanden, dass sie sich seiner Freundin, „der besten Designerin der Stadt“, anvertraute. Es war sein Hochzeitsgeschenk für sie, und Oskar hatte sie überredet, es anzunehmen.
    Sie dachte für einen Augenblick an die Kraft des Bregenzerwaldes in ihr, zauberte ein echtes Lächeln auf ihre Lippen und verließ den schützenden Raum. In diesem Augenblick sah sie das Kamerateam, das das großartige Buffet im Foyer der Demel -Salons filmte, auf deren Anmietung Paolo als Oskars Trauzeuge bestanden hatte. Das Zentrum war ihre Hochzeitstorte, ein dreistöckiges Kunstwerk aus den Backstuben des Hauses. Wien mit seinen prunkvollen Häusern war in unterschiedlichen Farbschattierungen aus gefärbtem Marzipan dargestellt und dominierte für Lilly in erschreckender Weise das Gegenstück, die kleinen Schieferholzhäuschen des Bregenzerwaldes. Das Brautpaar aus Marzipan, das sich zwischen den beiden Szenerien die Hand reichte, war so dargestellt, wie es sich gehörte: Der Mann war größer als die Frau.
    Das Filmteam schien mit dem Material zufrieden zu sein und schaute sich nach neuen Szenen um. Sie hatten die Braut noch nicht entdeckt und Lilly riss in Panik eine Tür zu ihrer Linken auf, die ihr bisher noch nicht aufgefallen war. Sie hatte schon den ganzen Tag unter den zahlreichen Fotografen gelitten und fühlte sich nicht in der Lage, noch mehr von dieser unfreiwilligen Publicity zu ertragen.
    Es war wie in einem Märchen, in dem die Prinzessin im Schloss verborgene Schätze entdeckt. Sie stand in einem Raum, der im Dornröschenschlaf lag. Sie kannte solche Küchen nur noch von alten Illustrationen. Ein riesiger Backofen, dessen weiße Flie­sen an den Rändern schon vergilbt waren. Sie las die Inschrift: ­Kaiserlich-Königlicher Hof-Feuerungsmaschinist. Neben dem Ungetüm stand ein großer Herd, auf den man später eine Marmorplatte gelegt hatte. Die Abschlussbordüre an den ebenfalls gefliesten Wänden war altmodisch zart hellblau und dunkelblau gemustert. Lilly setzte sich auf die Marmorplatte und spürte, wie sie sich in der abgeschiedenen Stille beruhigte. Hier waren schon lange keine Menschen mehr gewesen. Dieser Raum ruhte in sich. Sie dachte an Anna Demel, die Frau, in deren Küche sie jetzt wahrscheinlich saß. Wie hatte sie gelebt? War sie schon damals aufgestanden und hatte sich für ihr eigenes Leben eingesetzt oder hatte sie auch vieles einfach über sich ergehen lassen? Sie wusste, dass die drei großzügigen Salons, in denen sie feierten, ihre Privatwohnung gewesen war. Lilly fand ihr ehemaliges Schlafzimmer besonders bemerkenswert. Wie konnte man sich in einem so großen Raum mit einer so schweren Kassettendecke aus dunklem Holz und dunkel getäfelten Wänden wohlfühlen? Sie hätte noch lange über Anna Demel nachdenken können, aber sie musste zu den Gästen zurück.
    Am Eingang zu den Salons nahm sie einer der Demelinerinnen, die ihr ein Silbertablett entgegenstreckte, ein Glas Champag­ner ab und überlegte, was ihre nächste Verpflichtung sein könnte. In diesem Augenblick sah sie die Frau mit den geschlossenen Augen. Ihr Kopf war aus weißem Gips und zierte die Wand über dem Türstock. War sie auch blind? Hätte

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