Lily und der Major
Lebens hierzubleiben, falls es das ist, was du meinst.«
Eine überwältigende Traurigkeit
erfaßte Lily. Wie hatte sie nur so verrückt sein können, anzunehmen, heute
abend würde sich etwas ändern? Sie entzog sich ihm brüsk. »Gute Nacht, Caleb«,
sagte sie und ging auf ihr neues Haus zu, wo sie heute zum ersten Mal die Nacht
verbringen würde.
Caleb folgte ihr nicht, und selbst
als Lily das Geschirr gespült und das Lagerfeuer gelöscht hatte, war er
nirgendwo zu sehen. Es scheint eine Ironie des Schicksals zu sein und doch
irgendwie passend, daß ich diese Nacht
allein verbringen werde, überlegte Lily später, als sie allein in ihrem neuen
Bett lag.
Mit Tränen in den Augen drehte sie
sich zur Wand, kuschelte sich in die Decken und versuchte einzuschlafen.
Das stetige Klopfen eines Hammers
weckte sie am nächsten Morgen. Lily stand auf und machte ihr Bett, bevor sie in
die Küche ging, um sich eine Tasse Kaffee einzuschenken. Aber da Caleb nicht im
Haus geschlafen hatte, brannte kein Feuer im Herd, und natürlich war auch kein
Kaffee aufgebrüht.
Mit einem resignierten Seufzen zog
Lily das Hemd und die Hose an, die sie sich in Spokane zum Reiten angeschafft
hatte, und ging hinaus, um die Kaffeekanne im Bach auszuspülen.
Caleb machte große Fortschritte an
seinem Haus, obwohl er nur am frühen Morgen, bevor er zum Dienst ins Fort ritt,
und abends nach dem Essen daran arbeiten konnte. Das Gerüst stand schon – sein
Haus schien fünfmal so groß zu werden wie Lilys – und er hatte auch schon einen
Fußboden gelegt.
Lily blieb vor dem Gerüst stehen und
schaute zu Caleb auf. »Guten Morgen«, sagte sie freundlich.
Den Mund voller Nägel, drehte er
sich zu ihr um und nickte knapp.
»Ich habe vor, heute nach Tylerville
zu reiten«, sagte sie. »Aber erst, wenn ich den Mais bewässert habe.«
Caleb schaute sie nicht mehr an,
aber er fragte: »Und was willst du dort?« Die Worte waren durch die Nägel in
seinem Mund kaum zu verstehen.
»Ich möchte einige Sachen
einkaufen.«
Caleb nahm die Nägel aus seinem Mund
und steckte sie in seine Hemdtasche. »So? In diesen Hosen?«
Lily nickte. »Sie sind bequemer zum
Reiten als ein Rock«, entgegnete sie, obwohl sie der Ansicht war, daß er sich
das auch selber hätte denken können.
»Sie werden dich verhaften«, warnte
Caleb, während er hastig die Leiter herunterkletterte.
»Ich glaube nicht, daß ein Frau, die
Hosen trägt, gegen das Gesetz verstößt, Caleb.«
»Da wäre ich an deiner Stelle nicht
so sicher. Wenn sie eine Frau ins Kittchen stecken können, weil sie Lippenrouge
benutzt – und das können sie! – werden sie
deine Hosen bestimmt – nicht mit einem Lächeln abtun.« Er
machte eine Pause, musterte Lily kritisch und fügte dann schmunzelnd hinzu:
»Obwohl ich zugeben muß, daß sie dir verdammt gut stehen.«
Lily warf Caleb einen empörten Blick
zu, aber eigentlich nur, um ihn auf Distanz zu halten. Denn sonst war es
möglich, daß sie
innerhalb kürzester Zeit mit ihm im Bett lag – oder im Gras – und auf eine Art schrie und stöhnte,
die selbst Jezabel vor Scham hätte erröten lassen. »Ich habe dich nicht um
deine Meinung gebeten, Caleb«, sagte sie schnippisch.
Er schob lachend seine Hände unter
ihren Po und hob sie auf. »Wenn du darauf bestehst, in Hosen herumzulaufen,
meine kleine Lilie, mußt du dich mit den Konsequenzen abfinden.«
Lily haßte sich für die Gefühle, die
er so mühelos in ihr erweckte. »Laß mich los, Caleb!« forderte sie ihn zornig
auf.
Doch als er es tat, war sie
enttäuscht. »Na schön«, meinte er seufzend. »Aber du ziehst dich um, bevor du
in die Stadt reitest.«
Lily wollte etwas entgegnen, aber
dann schwieg sie doch, ging ins Haus und schloß die Tür.
Als sie aus dem Schlafzimmer kam,
stand Caleb am Tisch. Lily trug jetzt das obligatorische Kleid, aber sie
schaute Caleb nicht an, um ihm die Befriedigung über seinen Sieg zu nehmen.
»Kann ich deinen Buggy nehmen?« fragte sie.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie er
eine Kaffeetasse in den neuen Spülstein aus weißem Porzellan stellte. »Ich
schirre das Pferd an«, antwortete er und ging dann ohne ein weiteres Wort
hinaus.
Lily wartete, bis er Dancer vor den
Buggy gespannt hatte, dann ging sie hinaus. Als Caleb sie auf den Sitz hob,
vermied sie es, ihn anzuschauen. »Wann kommst du zurück?« wollte er wissen.
Komische Frage – von einem Mann,
der, ohne ein Wort zu sagen, kommt und geht, wann er will! dachte Lily und
zuckte
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