Lily und der Major
Haushälterin
beschäftigen ...«
Lily unterbrach Mrs. Tibbet
lächelnd. »Sie sind sehr freundlich«, sagte sie aufrichtig, »und ich schätze
Ihre Freundschaft. Aber es wäre nicht fair von mir, eine Stellung bei Ihnen
anzunehmen, nur um Sie dann wieder zu verlassen, sobald ich genug Geld habe,
um meine Farm in Angriff zu nehmen.«
Mrs. Tibbet seufzte. »Das verstehe
ich, meine Liebe«, erwiderte sie und schaute ihren Mann an. »John, das Haus
steht leer. Es ist eine Schande, daß es nicht genutzt wird.«
Der Colonel wirkte leicht gereizt.
»Sag bitte nicht, daß du vorhast, diesen lächerlichen Plan zu unterstützen,
Gertrude!«
»Doch, das tue ich«, beharrte Mrs. Tibbet.
»Sie werden Ihre Hände ruinieren,
Lily«, warf Sandra mit besorgter Miene ein. »All diese scharfe Seife.« Sie
erschauerte. »Und natürlich würden alle denken, Sie verkauften auch sich selbst
mit Ihren Diensten ...«
»Blödsinn«, meinte Mrs. Tibbet
scharf.
»Gertrude!« brummte der Colonel.
»Ich mag es nicht, wenn du so sprichst.«
»Wenn du Lily nicht das Haus beschaffst«,
sagte seine Frau, »lade ich sie ein, bei uns zu wohnen. Dann kann sie ihre
Geschäfte in unserer Küche führen!«
Lily und Sandra beobachteten
gespannt den Blickaustausch der beiden Gatten.
Schließlich schob der Colonel seinen
Stuhl zurück und knurrte: »Na schön, Lily soll das Haus bekommen. Aber ich
warne dich, Gertrude – wenn es Ärger gibt, hast du es nur dir selbst
zuzuschreiben!«
Lily hätte weinen mögen vor
Erleichterung. Nun war sie im Geschäft, und bald würde sie genügend Geld zusammenhaben,
um sich ihren Traum zu erfüllen. Wenn der Detektiv von Pinkerton Caroline und
Emma ausfindig gemacht hatte, würden sie eine Schwester wiederfinden, die
über eine eigene Farm verfügte!
Das Leben war einfach wunderbar.
Sandra maß Lily mit einem besorgten
Blick. »Was wird Caleb dazu sagen?«
Bevor Lily erwidern konnte, daß es
ihr egal war, was er dachte, kam er ins Eßzimmer geschlendert und fragte
lächelnd: »Was wird Caleb wozu sagen?«
»Diese albernen Frauenzimmer«,
murmelte der Colonel und stand auf. »Sie wollen einfach nicht hören. Sie wissen
nicht, was Gehorsam ist. Wenn die Armee aus Frauen bestünde, wären wir noch
immer britische Untertanen.«
Caleb grinste und schenkte sich eine
Tasse Kaffee ein. Mit einem übertriebenen Seufzer setzte sich der Colonel
wieder. »Iß etwas, Caleb«, lud Mrs. Tibbet den Major freundlich ein.
Er zog sich einen Stuhl heran und
setzte sich neben Lily. »Danke, Gertrude«, erwiderte er höflich. »Ich habe
schon im Kasino gegessen. Was geht hier vor?«
»Lily will ein Geschäft aufmachen«,
verkündete Sandra prompt und schien gespannt auf Calebs Reaktion zu warten.
»Onkel John wird ihr das ehemalige Schulmeisterhaus überlassen.«
Lily stellte verwundert fest, daß
Caleb lächelte. »Ich glaube nicht, daß du viel Freude am Waschen haben wirst,
Lily«, bemerkte er gelassen. »Aber ich würde lügen, wenn ich behauptete, nicht
froh zu sein, daß du bleibst.«
Da sie an die Geschehnisse des
Vorabends denken mußte, senkte Lily beschämt den Blick. Es war alles noch
schrecklicher bei hellem Tageslicht! »Natürlich müßte ich zuerst nach Tylerville,
um meine Sachen abzuholen und zu kündigen«, erwiderte sie leise.
»Dann sollten wir uns jetzt auf den
Weg machen«, sagte Caleb. »Denn so könnten wir bis zum Abend wieder zurück
sein.«
Lily ärgerte sich über die Art, mit
der Caleb über sie verfügte. »Ich glaube, ich bleibe heute lieber hier und
nehme morgen die Postkutsche«, entgegnete sie kühl. »Aber trotzdem vielen
Dank.«
In der Ferne läuteten
Kirchenglocken.
»O Gott«, rief Mrs. Tibbet und
schaute auf die Uhr, die am Oberteil ihres braunen Satinkleids steckte.
»Wenn wir uns nicht beeilen,
verpassen wir die Eröffnungspredigt.«
»Das möge der liebe Himmel
verhüten«, entgegnete Sandra, die Lily und Caleb gespannt beobachtete.
»Komm, Sandra, laß uns gehen«, sagte
der Colonel schroff.
»Ich räume den Tisch ab«, bot sich
Lily an, in der Hoffnung, Caleb möge mit den anderen gehen und ihr ein wenig
Zeit lassen, sich zu überlegen, was sie machen wollte. Sie hatte nicht damit
gerechnet, daß der Colonel ihr das Schulmeisterhaus tatsächlich überlassen
würde. Seine rasche Kapitulation warf eine Menge Fragen für sie auf.
Aber wie das Pech es wollte, blieb
Caleb bei ihr zurück.
Lilys Hände zitterten, als sie den
Tisch abräumte. Sie spürte Calebs Blick auf sich
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