LIMIT - reich, gewissenlos, tot
der Silvesternacht die Schüsse gefallen waren, ließ Hennessy ein paar positive Gefühle in sich aufkommen. Ja, schreckliche Dinge waren vor seinen Augen passiert. Brave, anständige Menschen waren kaltblütig ermordet worden. Aber seine Kinder waren am Leben. Er war am Leben. Und jetzt hatte er auch noch Geld gemacht.
Er musste daran denken, wie Horatio Burns ihm am Nachmittag vor der Silvesterparty erzählt hatte, dass Leerverkäufe eine Menge Risikobereitschaft voraussetzten. Hennessy lächelte. Dann hab ich also doch genug Schneid, dachte er.
»Wo sind sie?«, rief eine Stimme, die er nur allzu gut kannte.
Hennessy blickte auf und sah seine Exfrau Patricia um die Ecke hasten. Sie hatte sich die Haare aschblond färben und zu vielen kleinen Zöpfen flechten lassen. Ihr Gesicht war sonnengebräunt. Ein untersetzter, dicklicher Kerl mit Halbglatze folgte ihr. Er war um die vierzig und ebenso sonnengebräunt wie sie.
Das also ist Ted
, dachte Hennessy. Er hatte ihn sich eindrucksvoller vorgestellt.
»Da drin«, sagte Hennessy und deutete auf die Tür. »Hübscher Teint.«
Patricia fegte an ihm vorbei. »Wir sprechen uns noch«, sagte sie mit drohendem Zeigefinger.
Sie blickte auf Bridger und Hailey und warf sich heulend in Connors Arme. Noch vor Kurzem wäre Hennessy ihr theatralisches Gehabe peinlich gewesen. Doch nach allem, was er durchgemacht hatte, verstand er genau, wie ihr zumute war.
Ted kam auf ihn zu und rückte seine Brille zurecht. »Ich heiße Ted«, sagte er und schüttelte Hennessy die Hand. »Sie müssen durch die Hölle gegangen sein.«
»Ja, das kann man wohl sagen.«
»Danke«, sagte Ted.
»Wofür?«
»Sie haben sie gerettet. Patricia hätte es nicht überlebt, wenn sie sie verloren hätte.«
»Ich auch nicht, Ted.«
Hailey versuchte sich dem Überschwang ihrer Mutter zu entziehen und sagte: »Hab ich es nicht gesagt?«
Patricia stand auf und sah Kane. Sie trocknete sich die Augen und umarmte ihn. »Wir beide begegnen uns auch immer nur in Krankenzimmern«, sagte sie.
»Daran müssen wir was ändern«, sagte Kane.
Erst jetzt bemerkte Patricia Cheyenne. »Wer sind Sie?«
»Cheyenne O’Neil, FBI «, sagte sie und schüttelte Patricia die Hand.
»Sie hat uns geholfen, Haileys Leben zu retten«, sagte Hennessy von der Tür aus.
Patricia warf Hennessy einen prüfenden Blick zu und nickte. »Danke, Agent O’Neil. Für alles, was Sie getan haben.«
»Ihre Kinder waren sehr tapfer«, sagte Cheyenne.
»Ich hab’s gehört. Dürfte ich kurz mit ihnen allein sprechen?«, fragte Patricia in die Runde. »Mami will ihre Küken mal für sich alleine. Na los, raus mit euch.«
Draußen auf dem Flur machte Ted sich auf die Suche nach einem Cola-Automaten. Kane klopfte Hennessy auf die Schulter. »Schön, dich heil wiederzusehen.«
»Wie in alten Zeiten«, sagte Hennessy.
»Ich bin verheiratet, Mick. Ich würde dich gern meiner Frau vorstellen.«
»Des Widerspenstigen Zähmung«, sagte Hennessy. »Auf die Frau bin ich gespannt!«
»Ich muss zurück zum Jefferson Club«, sagte Kane. »Agent O’Neil?«
Cheyenne wurde rot und sagte: »Ich muss nochmal mit meinem Partner in New York telefonieren, SAC , ein Konferenzgespräch. Ich komme nach, sobald ich kann.«
Kane zögerte, warf einen Blick auf Hennessy. »Na schön«, sagte er. »Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
Er klopfte Hennessy auf den Rücken und ging zu den Aufzügen. Cheyenne hatte die Hände in den Gesäßtaschen ihrer Jeans vergraben. Sie grinste Hennessy an. »Ich wollte nur noch sagen, wie sehr ich mich für Sie freue«, sagte sie mit glänzenden Augen. Sie strich sich das lange, kastanienbraune Haar aus der Stirn. »Wegen Ihrer Kinder und so.«
»Sie haben viel dazu beigetragen«, sagte er und dachte an den Kuss.
»Ich bin nur in den Funkbereich zurückgefahren«, sagte sie. »Den Rest hat Kane erledigt.«
»Ohne Ihren Einsatz wären wir glatt erfroren«, sagte er. »Ich würde Sie gern zum Dinner einladen.«
»Dafür ist es noch ein bisschen früh.«
»Dann eben zu einem späten Lunch.«
Sie lächelte und ihre Wangen röteten sich. »Sehr gern.«
»Schön.«
42
Zwanzig Minuten später gingen sie in der Innenstadt von Bozeman in eine Pizzeria. Die Wände bestanden aus rohem Backstein. Es duftete nach Holzofen und Knoblauch. Die meisten Lunchgäste waren schon wieder gegangen. Die Übrigen schienen Hennessy und Cheyenne aus den Nachrichten zu kennen und starrten ihnen hinterher, als sie sich an einen Tisch in der
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