LIMIT - reich, gewissenlos, tot
Geschichte mit Gewalt verändern – wie Robespierre, Hitler, Stalin oder Mao. Die haben auch jeden beseitigt, der klug und mutig genug war, ihre totalitären Prinzipien in Frage zu stellen.«
»Sie täuschen sich ganz gewaltig«, entgegnete der General, sichtlich erleichtert. »Ich bin lediglich hier, um die Wahrheit zu bezeugen. Das ist die historische Aufgabe der Anarchie. Die Anarchie bringt die Wahrheit an den Tag. Sie macht reinen Tisch und legt den Finger auf Wunden wie Korruption und Lügen.«
»Um sie durch neue Lügen zu ersetzen, nicht wahr?«, sagte Klinefelter und nickte. »Das glaube ich gern.«
»Ist es eine Lüge, dass Sie sich das Chaos zunutze machen, Mr. Klinefelter?«
»Ich mache mir das Leben zunutze, das Leben in seinem Streben nach Effizienz, um es mit Alberts Worten zu sagen.«
»So kann man es auch ausdrücken«, entgegnete der General. »Dann passen Sie auf, was ich Ihnen jetzt zeige.«
Der Terroristenführer warf dem Hedgefonds-Manager vor, er sei ein Parasit, der kranken, schwachen Unternehmen den Lebenssaft aussauge. In einer Dokumentation wurde Klinefelter als ein Geschäftsmann beschrieben, der nach Insiderinformationen von Crockett mit dem haitianischen Gourde spekuliert habe.
Es funktionierte folgendermaßen: Während Crockett die Wälder Oregons plünderte, um seine Taschen zu füllen, kaufte Klinefelter ein Kalibergwerk in Haiti und ging daran, dessen Vermögenswerte zu liquidieren. Crockett und Klinefelter wussten, dass die fragile haitianische Wirtschaft mit zweihundert Millionen Dollar von dem Bergwerk profitierte und dass seine Schließung ein herber Verlust wäre für die ohnehin schon heikle Finanzlage des Landes. Also beschlossen sie, drei Tage vor Ankündigung der Schließung die haitianische Währung leerzuverkaufen.
»Wie ging es weiter, Mr. Klinefelter?«, fragte der General.
Cheyenne beugte sich gespannt nach vorn. Sie kannte die Geschichte, nur die Sache mit den Währungsoptionsscheinen war ihr neu.
Der Hedgefonds-Manager musste sich ein Grinsen verkneifen. »Der haitianische Gourde hat an Wert verloren. Wir haben ein paar Kröten verdient.«
»Ein paar Kröten?«, rief der General. »Sie haben beide einhundertfünfzig Millionen Dollar eingestrichen, die Sie einem der ärmsten Länder der westlichen Welt gestohlen haben! Sie haben ein Unternehmen geschlossen, das Gewinne erwirtschaftet hatte und unerlässlich war für die Wirtschaft des Landes. Das ist das Üble an euch Burschen: die Art und Weise, wie ihr Unternehmen ruiniert, indem ihr ihnen noch den letzten Rest Fleisch von den Knochen schabt – Mr. Crocketts Spezialität –, oder in ihren Eingeweiden wühlt wie Herr Klinefelter. Es ist die Art und Weise, wie ihr um jeden Preis eure Renditen steigert und gleichzeitig das Leben von zigtausend Menschen zerstört.«
Klinefelter schüttelte energisch den Kopf. »Wir betreiben Entwicklungshilfe! Indem wir die Bewohner solcher Länder unserem Kapitalismus aussetzen, lehren wir sie, wie man in einer globalisierten Welt überlebt.«
»Sehr richtig!«, stimmte Crockett ihm zu. »Wir nutzen doch nur das wirtschaftliche Potenzial dieser Länder!«
Der General schürzte verächtlich die angemalten Lippen.
»Dann beantworten Sie mir folgende Frage: Was haben Sie mit Ihrem Gewinn aus der Abwertung der haitianischen Währung gemacht?«
Crockett spitzte die Lippen, als kaue er auf einer unreifen Zitrone herum. Klinefelter wirkte ebenso unangenehm berührt, rückte aber schließlich mit der Sprache heraus: »Wir haben ihn in eine Investition gesteckt, die ein Milliardengeschäft hätte werden sollen, aber in die Hose ging. So etwas kann schon mal passieren, wenn man so viele Deals am Laufen hat wie wir.«
»Wie lässig Sie das sagen, Herr Klinefelter«, erwiderte der General. »Ihre Abgebrühtheit verblüfft mich von Minute zu Minute mehr. Da sitzen Sie in Ihrem Elfenbeinturm in den Bergen, fernab vom Alltag der Normalsterblichen, fernab vom Elend der Armen, und spielen Schicksal!«
Der Schauprozess brachte an den Tag, dass Klinefelter und Crockett den Gewinn aus ihren Spekulationsgeschäften mit dem haitianischen Gourde, dazu sechzig Millionen aus dem Rentenfonds von Harrison Timber und ein Bündel Schrottanleihen investiert hatten, um für zwei Komma zwei Milliarden U.S.-Dollar die Firma TXC Corp, ein internationales Bergbauunternehmen, zu kaufen. Sechs Monate später brachen in mehreren Tochterunternehmen von TXC die Kurse ein. Der Bauxitpreis fiel in den
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