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Limit

Limit

Titel: Limit
Autoren: Frank Schätzing
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schaute in den Himmel und fand sich mit einer einzelnen, weißen Wolke konfrontiert.
    Einsame kleine Wolke. Einsamer kleiner Finn.
    Du und ich, wir verstehen uns, dachte er belustigt.
    Der Rumpf eines Helikopters schob sich in sein Blickfeld, überquerte den Pool und ging tiefer.
     
    »Da sind welche im Wasser«, stellte Karla Kramp fest. Sie sagte es mit analytischer Kühle, als referiere sie das Auftreten von Mikroben unter feuchtwarmen Bedingungen. Es klang nicht unbedingt so, als wolle sie sich hinzugesellen. Eva Borelius schaute aus dem Helikopterfenster und sah eine hellhäutige Frau über türkisfarbenen Grund gleiten.
    »Vielleicht solltest du endlich schwimmen lernen.«
    »Ich hab deinetwegen schon reiten gelernt«, erwiderte Kramp, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Ich weiß.« Borelius lehnte sich zurück und reckte die knochigen Glieder. »Man lernt nie aus, mein Juwel.«
    Ihr gegenüber döste Bernard Tautou mit zurückgelegtem Kopf und halb offenem Mund vor sich hin. Nachdem er während der ersten halben Stunde des Fluges seinen kräftezehrenden Alltag thematisiert hatte, der sich zwischen entlegenen Wüstenquellen und intimen Abendessen im Élysée-Palast abzuspielen schien, war er hinweggedämmert und gewährte nun Einblick in die Höhlungen seiner Nase. Er war klein und schlank, mit welligem, zweifellos gefärbtem Haar, das sich an den Schläfen zu lichten begann. Sein Blick unter den schweren Augenlidern hatte etwas Träges, was durch die Länglichkeit seiner Gesichtsform ins Melancholische verstärkt wurde. Der Eindruck schwand, sobald er lachte und sich seine Brauen auf clowneske Weise hoben, und Tautou lachte viel. Er machte Komplimente und gab sich interessiert, nur um Äußerungen seiner Gesprächspartner als Sprungbrett zur Selbstreflexion zu nutzen. Jeder zweite Satz, den er an seine Frau richtete, mündete in einem fordernden n'est-ce pas ?, wodurch sich Paulettes Funktion in der Bestätigung des Gesagten erschöpfte. Erst nachdem er eingeschlafen war, wurde die Dame lebhafter, erzählte von ihrer und seiner Freundschaft zur französischen Staatspräsidentin und wie wichtig es sei, der Menschheit Zugang zur kostbarsten aller knappen Ressourcen zu verschaffen. Sie berichtete, wie Bernard als Chef des französischen Wasserkonzerns Suez Environnement die Übernahme von Thames Water eingefädelt hatte, womit das neu entstandene Unternehmen die Führung in der globalen Wasserversorgung übernommen und die Welt gerettet habe, also quasi, wie ihr Mann die Welt gerettet habe. In ihrer Schilderung legte der wackere Bernard unermüdlich Pipelines in die Wohnviertel der Armen und Elenden, ein Schutzheiliger im Kampf gegen den Durst.
    »Ist Wasser nicht eine freie Menschheitsressource?«, hatte Kramp gefragt.
    »Natürlich.«
    »Kann man sie dann überhaupt privatisieren?«
    Paulettes Blick war unergründlich geblieben. Mit ihren Schlupflidern und dem seitlich gescheitelten Haar erinnerte sie entfernt an die junge Charlotte Rampling, ohne deren Klasse zu erreichen. Soeben vernahm sie eine Frage, die der Branche seit Jahrzehnten mit schöner Regelmäßigkeit gestellt wurde.
    »Ach, wissen Sie, die Diskussion gerät gottlob aus der Mode. Ohne Privatisierung wären keine Versorgungsnetze entstanden, keine Aufbereitungsanlagen. Was nützt Ihnen der freie Zugang zu einer Ressource, die jenseits Ihrer Zugangsmöglichkeiten liegt?«
    Kramp hatte nachdenklich genickt.
    »Könnte man eigentlich auch Atemluft privatisieren?«
    »Wie bitte? Natürlich nicht.«
    »Ich will's ja nur verstehen. Suez baut also Versorgungsanlagen, zum Beispiel in –«
    »Namibia.«
    »Namibia. Genau. Und werden solche Bauvorhaben durch Entwicklungshilfe subventioniert?«
    »Ja, sicher.«
    »Und die Anlage arbeitet gewinnorientiert?«
    »Das muss sie ja wohl.«
    »Das heißt, Suez verbucht privat Gewinne, die mit Entwicklungshilfe subventioniert wurden?«
    An diesem Punkt hatte Paulette Tautou etwas gequält dreingeschaut und Borelius leise »Aus, Karla« gesagt. Ihr war nicht danach, schon zu Beginn der Reise in Kalamitäten zu geraten, so wie meist, wenn Kramp das Seziermesser ihrer Neugier ansetzte. Danach hatten sie Belanglosigkeiten ausgetauscht und die Plattform im Meer bewundert. Genauer gesagt hatten ihre und Kramps Augen wie gebannt an der unendlichen Linie gehangen, während Paulette sie eher misstrauisch beäugte und keinerlei Anstalten machte, ihren Mann wach zu rütteln.
    »Wollen Sie ihn nicht wecken?«, hatte Borelius
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