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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Intimität, den sie geteilt hatten, schien nie stattgefunden zu haben.
    Er wandte den Kopf und ließ seinen Blick über das dichter werdende Lichtgespinst schweifen. In zehn Kilometern Höhe hatte er nagende Einsamkeit empfunden, der Erde zu weit entrückt, dem Himmel nicht nahe genug. Nun war er dankbar um jeden Meter, den die Maschine dem Boden entgegensank, mit dem Effekt, dass sich die fremdartigen Muster wieder zu gewohnten Bildern fügten. Gebäude, Straßen und Plätze erzeugten die Illusion von Vertrautheit. Jericho war verschiedene Male in Berlin gewesen. Er sprach gut Deutsch, nicht perfekt, weil er sich nie die Mühe gemacht hatte, es zu erlernen, dafür akzentfrei. Sobald er daran ging, eine Sprache diszipliniert zu büffeln, beherrschte er sie binnen weniger Wochen, bloßes Hinhören reichte immerhin zur Verständigung.
    Er hoffte inständig, Andre Donner lebend anzutreffen.
    Um 04.15 Uhr landeten sie auf dem Flughafen Berlin Brandenburg. Tu zog los, um einen Leihwagen zu organisieren. Als er zurückkam, schwenkte er verdrossen einen Audi-Stick.
    »Ich hätte eine andere Marke vorgezogen«, maulte er, als sie die Neonwüste des Parkdecks auf der Suche nach ihrem Fahrzeug durchquerten. Jericho trottete ihm hinterher, den Rucksack geschultert, eine schlurfende und chloroformiert dreinblickende Yoyo an seiner Seite, die kaum wach zu bekommen war. Außer Diane und einiger Hardware führte er nichts mit sich. Tu hatte es abgelehnt, ihn vor dem Abflug noch einmal nach Xintiandi zu bringen, um das Nötigste zu packen. Auch Yoyo hatte nicht in ihre Wohnung zurückkehren dürfen, sich zu Protesten verstiegen und Tu auf die Palme gebracht.
    »Keine Diskussion!«, hatte er sie angeraunzt. »Kenny und Konsorten könnten auf euch warten. Entweder machen sie euch an Ort und Stelle fertig oder folgen euch bis zu mir.«
    »Dann schick halt einen deiner Leute vorbei.«
    »Dem werden sie ebenso folgen.«
    »Oder lass mich einfach –«
    »Vergiss es.«
    »Mann! Ich kann doch nicht tagelang in denselben stinkenden Klamotten rumlaufen! Und Owen bestimmt auch nicht, oder? Oder, Owen?«
    »Lass deine erbärmlichen Kumpaneien. Ich sagte, nein! Berlin ist eine zivilisierte Stadt. Nach allem, was ich höre, gibt es da Socken, Unterhosen, Wasser aus der Leitung und sogar elektrisches Licht.«
    Elektrisches Licht gab es, so viel stand fest. Darüber hinaus schienen eine heiße Dusche oder der Duft frischer Wäsche in dem öden, mit Autos vollgestopften Hangar Lichtjahre entfernt zu sein. Tu eilte an Dutzenden identisch aussehender Blech- und Kunstfasergesichtern vorbei, seine prall gepackte Reisetasche schwenkend, nötigte sie zum Stechschritt und erspähte endlich die dunkle, verschwiegene Limousine.
    »Der Wagen ist doch in Ordnung«, wagte Jericho einzuwenden.
    »Ich hätte eine chinesische Marke bevorzugt.«
    »Wovon redest du? Du fährst keine chinesische Marke. Nicht mal in China.«
    »Komisch«, sagte Tu, während der Wagen die Daten aus dem Computerstick las und brav seine Türen öffnete. »So ein großartiger Ermittler, aber in mancherlei Beziehung will mir scheinen, du kommst geradewegs aus der Steinzeit. Ich fahre einen Jaguar, und Jaguar ist eine chinesische Marke.«
    »Seit wann?«
    »Seit drei Jahren. Wir haben sie von den Indern gekauft, so wie wir Bentley von den Deutschen gekauft haben. Einen Bentley hätte ich natürlich auch genommen.«
    »Warum nicht gleich einen Rolls?«
    »Indiskutabel! Rolls-Royce ist indisch.«
    »Ihr seid ja nicht ganz dicht«, gähnte Yoyo und legte sich quer über die Rückbank.
    »Hör mal«, sagte Jericho, während er auf den Beifahrersitz glitt. »Das sind alles keine chinesischen Marken, bloß weil ihr sie gekauft habt. Es sind englische Marken. Die Leute kaufen so was, weil sie englische Autos mögen, und genau darum kaufst du sie auch.«
    »Aber gehören –«
    »– tun sie den Chinesen, schon klar. Manchmal kommt mir die ganze Globalisierung vor wie ein einziges Missverständnis.«
    »Ach komm, Owen! Wirklich!«
    »Im Ernst.«
    »Derartige Sprüche hatten schon vor 20 Jahren keinen Biss mehr.« Tu steuerte den Wagen im Slalom durch Gänge, deren Gleichförmigkeit nur von dem Umstand übertroffen wurde, dass es unendlich viele von ihnen zu geben schien. »Sag mir lieber, ob ihr noch was von Interesse gefunden habt?«
    Jericho erzählte ihm in kurzen Zügen von Ndongos ergebnislosen Versuchen, das Land zu reformieren und die Vereinigten Staaten wieder ins Geschäft zu bringen, vom

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