Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
den Sitz und sie hoben ab.
     
    Nur Minuten später erfuhr der Leiter der Sonderkommission, dass Tu Tian mit einer Privatmaschine vom Typ Aerion Supersonic angereist war. Die Zimmer im Hyatt waren verlassen, der Chinese und seine Begleiter offenbar ausgezogen. Möglicherweise hielten sie sich immer noch in Berlin auf, ausgecheckt hatten sie jedenfalls nicht, außerdem stand der Audi in der Tiefgarage des Grand Hyatt, den Tu unmittelbar nach seiner Landung am Flughafen angemietet hatte und dessen Kennzeichen die Ermittler auf seine Spur gebracht hatte.
    Andererseits lag in einem der Zimmer eine Leiche.
    Der Kommissionsleiter instruierte sein Team, den Jet des Chinesen vorsorglich festzusetzen. Wieder einige Minuten später wusste er, dass Mickey Reardons Identifizierung ihn die entscheidenden Minuten gekostet hatte. Er fluchte so lästerlich, dass die Spurensicherer um ihn herum erschrocken innehielten, doch es half alles nichts.
    Tu Tian hatte Berlin mit unbekanntem Ziel verlassen.
     

AERION SUPERSONIC
     
    »Natürlich kann sie Gedächtniskristalle lesen«, rief Jericho in die Kanzel, als habe Tu ihn gefragt, ob er sich täglich wasche.
    »Entschuldige tausendmal«, rief Tu zurück. »Ich hatte vergessen, dass sie dir die Frau ersetzt.«
    Jericho zerrte Dianes handlichen Leib aus dem Rucksack, verband ihn mit den Schnittstellen der Bordelektronik und stellte den Monitor seiner Sitzkonsole hoch. Die Pratt-&-Whitney-Turbinen hüllten die Aerion in einen Kokon aus Lärm. Immer noch befand sich der Trapezflügler im Steigflug. Neben ihm machte sich Yoyo an Vogelaars Glasauge zu schaffen, schraubte es auseinander und entnahm ihm ein glitzerndes, knapp zuckerwürfelgroßes Gebilde. Tu flog eine Kurve. Berlin kippte ihnen in den Seitenfenstern entgegen, dafür tönte sich der Himmel auf der gegenüberliegenden Seite tiefdunkelblau.
    »Hallo, Diane.«
    »Hallo, Owen«, sagte die weiche, vertraute Stimme. »Wie geht es dir?«
    »Könnte besser sein.«
    »Was kann ich tun, damit es dir gut geht?«
    »Allerhand«, spottete Yoyo leise. »Du musst mir bei Gelegenheit mal erzählen, wie sie küsst.«
    Jericho verzog das Gesicht. »Öffne den Crystal Reader, Diane.«
    Ein Stäbchen schob sich aus der Vorderfront des Computers, versehen mit einer transparenten Einfassung. Der Jet schwang zurück in die Waagerechte und gewann weiter an Höhe. Unter ihnen wich der Schorf der Besiedelung grünbraungelbem Ackerland, parzelliert und durchsetzt von flickenartigen Wäldchen, Straßen und Dörfern. Wie hingekleckst schimmerten Flussläufe und Seen im nachmittäglichen Sonnenlicht.
    »Wehe, die Schweinerei in der Charité hat sich nicht gelohnt«, knurrte Yoyo, beugte sich zu Jericho herüber, legte den Würfel in die Einfassung, und die winzige Schublade glitt wieder zu.
    »Alle haben Opfer gebracht«, sagte er etwas knitterig, während Diane die Daten hochlud. »Tian war immerhin bereit, einhunderttausend Euro in den Wind zu schießen.«
    »Von deinem Ohr gar nicht zu reden.« Yoyo sah ihn an. »Also von dem Schnipsel deines Ohrs. Von der Atomlage deines –«
    »Von der ernsthaften Verletzung meines Ohrs. Da.«
    Der Bildschirm füllte sich mit Symbolen. Jericho hielt den Atem an. Das Dossier war weit umfangreicher, als er gedacht hatte. Unvermittelt spürte er jene ambivalente Scheu, kurz bevor man die Höhle des Ungeheuers betritt, um es in seiner ganzen beängstigenden Scheußlichkeit zu erblicken und Gewissheit über seine Natur zu erlangen. In wenigen Minuten würden sie den Grund für die Hetzjagd kennen, der so viele Menschen und beinahe sie selbst zum Opfer gefallen waren, und er wusste, dass ihnen nicht gefallen würde, was sie zu Gesicht bekämen. Auch Yoyo wirkte zögerlich. Sie legte einen Finger an die Lippen, verharrte.
    »Wenn ich er gewesen wäre«, sagte sie, »hätte ich eine Kurzfassung angelegt. Du nicht?«
    »Doch.« Jericho nickte. »Aber wo?«
    »Hier.« Ihr Finger löste sich und wanderte zu einem Symbol mit der Bezeichnung JKV-Intro.
    »JKV?« Er kniff die Augen zusammen.
    »Jan Kees Vogelaar.«
    »Klingt gut. Versuchen wir's mal. Diane?«
    »Ja, Owen.«
    »Öffne JKV-Intro.«
    Da saß Vogelaar, in Hemd und Shorts, auf einer Veranda, beschattet von einem grob gezimmerten Holzdach und neben sich einen Drink. Im Hintergrund fiel hügeliges Buschland zur Küste hin ab, Palmen stachen vereinzelt aus niedriger Mischvegetation. Offenbar nieselte es. Ein Himmel von undefinierbarer Farbe hing über der Szenerie und

Weitere Kostenlose Bücher