Limit
keine ausländischen Konstrukteure waren zugegen, auch niemand von der Zheng-Group. Weder Mayé noch seine Leute wussten zu diesem Zeitpunkt, dass mehr in den Weltraum geschossen werden sollte als besagter Satellit. Ich bin übrigens kein Spezialist für Raumfahrt, vermute aber, dass es sich bei dem Gehäuse um ein kleines, automatisches Raumschiff handelte, eine Art Landeeinheit. Meine Leute haben die Ankunft des Konvois und das Gehäuse fotografiert, die Bilder finden Sie in den Dateien KON_PICS und SAT_PICS.« Vogelaar grinste. »Schaust du noch zu, Kenny? Ist dir in deinem Wahn, mich zu observieren, gar nicht aufgefallen, dass wir euch observierten?«
»So.« Tu kam aus der Kanzel zu ihnen in den Passagierraum. »Der Autopilot fliegt. Jetzt sind wir erst mal in Richtung Amsterdam unterwegs, also lasst uns was trin –«
»Schsch!«, zischte Yoyo.
»– interessierte mich natürlich, was in diesem Gehäuse war«, fuhr Vogelaar fort. »Dafür musste ich den Weg rekonstruieren, den es genommen hatte. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass die Leute, die es bei Nacht und Nebel anlieferten, fast allesamt Chinesen waren, jedenfalls gelang es uns, die Route des Fliegers, mit dem es nach Afrika gelangt war, über eine Reihe von Zwischenlandungen zurückzuverfolgen. Aus naheliegenden Gründen hatte ich erwartet, dass die Maschine ursprünglich in China gestartet war, doch zu meiner Überraschung kam sie aus Korea, genauer gesagt von einem abgelegenen Flughafen in Nordkorea, nahe der Grenze.«
Im Hintergrund hatte es heftig zu regnen begonnen. Anschwellendes Rauschen mischte sich in Vogelaars Worte, changierendes Grau nivellierte Himmel, Buschland und Meer.
»Über die Jahre habe ich weitreichende Kontakte aufgebaut. Auch nach Südostasien. Jemand, der mir noch was schuldig war, machte sich daran, herauszubekommen, was auf dem Flughafen verladen worden war. Man muss wissen, die ganze Gegend dort ist äußerst unsicher. Viel Piraterie in den umliegenden Gewässern, ein hohes Maß an Kriminalität, Arbeitslosigkeit, Frust. Der Süden bezahlt dem Norden seit 2015 den Wiederaufbau, aber das Geld verschwindet in einer gewaltigen Spekulationsblase. Beide Seiten fühlen sich hintergangen und sind sauer. Als Folge grassieren Korruption und Schwarzmarktgeschäfte, und einer der lukrativsten Märkte ist der Handel mit Kim Jong-uns ehemaligen Waffenarsenalen, allem voran die Sprengköpfe. Ganz besonders beliebt sind Mini-Nukes, kleine Atombomben mit beträchtlicher Zerstörungskraft. Schon die Sowjets haben damit experimentiert, alle Nuklearmächte eigentlich. Auch Kim besaß welche, Hunderte sogar. Nur dass keiner weiß, wo sie abgeblieben sind. Nach dem Zusammenbruch des nordkoreanischen Regimes, Kims Tod und der Wiedervereinigung waren sie plötzlich verschwunden, und da sie nicht besonders groß sind –«
Der Söldner maß mit den Händen einen geschätzten Meter ab.
»– und nicht viel dicker als ein Schuhkarton, werden sie auch nicht so einfach zu finden sein. Eine Mini-Nuke hat den Vorzug, bei aller infernalischen Kraftentfaltung in jedes Versteck zu passen.« Er lächelte. »Beispielsweise in ein kleines, automatisches Raumschiff, das huckepack auf einem Satelliten ins All geschossen wird.«
Jericho starrte auf den Monitor. Hinter Vogelaar schüttete sich der Himmel aus.
»Ich wollte wissen, ob auf dem Schwarzmarkt jemand vor nicht allzu langer Zeit eingekauft hatte. Mein Kontaktmann bestätigte dies. Knapp zwei Jahre zuvor, im Niemandsland zwischen Norden und Süden, habe im Zuge einer privaten Transaktion koreanisches Nuklearmaterial, offenbar eine Mini-Nuke, den Besitzer gewechselt. Nun bin ich immer misstrauisch, und mit Hörensagen soll man bekanntlich vorsichtig sein – aber vieles deutete darauf hin, dass mir der Käufer bestens bekannt war.«
»Ich glaub's nicht«, sagte Tu ungläubig. »Die haben eine Atombombe ins All geschossen?«
Vogelaar beugte sich vor.
»Unser guter Kenny Xin hatte das Ding erstanden. Und schon wusste ich, warum er auf die Idee verfallen war, die Abschussrampe ausgerechnet in unserem kleinen, beschaulichen Dschungelparadies zu errichten. Das Ganze war in höchstem Maße illegal! Keiner staatlichen Raumfahrtbehörde hätte man unbemerkt eine Atombombe unterjubeln können. Kennys Auftraggeber mussten ein neutrales Land finden, am besten eine Bananenrepublik, deren herrschende Clique sich für kein Geschäft zu schade war. Irgendeinen ungeliebten Flecken Erde, wo ihnen keiner auf die
Weitere Kostenlose Bücher