Limit
Shuttle geschafft hatte. Außerdem würde das Geräusch des Schotts ihn verraten, sobald es sich öffnete. Er widmete sich wieder den Kontrollen und sah aus dem Fenster. Ein größerer Krater geriet in Sicht, Mairan, wie die holografische Karte auf der Konsole verriet. Gut zwanzig Minuten war die Ganymed jetzt unterwegs, und beinahe überkam ihn so etwas wie Langeweile.
Also gut.
Er stand auf, nahm seine Waffe mit den nichtexplosiven Geschossen und ging zwischen den Sitzreihen hindurch zur Schleuse. Je näher er kam, desto tiefer konnte er in die Kabine hineinsehen, doch augenscheinlich war sie tatsächlich leer. Erst als er wenige Schritte davor war, schob sich etwas Klobiges, Weißes in sein Blickfeld, etwas, das auf dem Boden lag, und er blieb stehen.
Ein Überlebensrucksack. Zumindest sah es danach aus.
Sollte Locatelli es tatsächlich geschafft haben?
Langsam trat er näher. Weitere Einzelheiten wurden sichtbar, die Schulterpartie eines Brustpanzers, ein abgewinkeltes Bein. Erst als er so dicht vor der Scheibe stand, dass sein Atem darauf zu einem Tröpfchenfilm kondensierte, konnte er auch einen Teil des Gesichts ausmachen, ein leblos starrendes Auge, einen halb geöffneten Mund. Locatelli schien mit dem Rücken gegen das Schott zu lehnen, und er sah nicht besonders gut aus, eigentlich ziemlich tot.
Hannas Finger umspannten die Waffe. Er legte die freie Hand auf das Sensorfeld, ließ das Schott aufgleiten und trat einen Schritt zurück.
Wie ein Sack plumpste Locatelli heraus und glotzte die Decke an. Sein linker Arm schlug kraftlos auf den Boden, die Finger öffneten sich, als bitte er um ein letztes Almosen. Seine Rechte, noch in der Schleuse, hielt den unteren Rand des Helms umklammert. Äußerlich war keine Verletzung festzustellen, immerhin hatte er noch seine Panzerung ablegen können, bevor er zusammengebrochen war.
Hanna runzelte die Brauen, beugte sich vor, stutzte.
Im selben Moment wurde ihm klar, was hier nicht stimmte. Die ungewöhnlich gesunde Gesichtsfarbe des Mannes mochte für eine Leiche eben noch durchgehen – definitiv aber wäre Warren Locatelli der erste Tote gewesen, der schwitzte.
Hanna also.
Locatelli schrie auf. Mit aller Kraft schwang er den Helm, traf Hannas Arm, sah die Waffe davonfliegen, schnellte empor.
Hanna taumelte.
Dass der Kanadier den Bluff durchschaut hatte und ihn im nächsten Moment erschießen würde, war allenfalls zu erahnen gewesen. Insofern, zwei Sekunden nach der Attacke, überraschte es Locatelli am meisten, noch am Leben zu sein. Unzählige Male im Verlauf der Aneinanderreihungen von Ewigkeiten seit Abheben des Shuttles hatte er sich die Situation vorzustellen versucht, sich seine Chancen ausgerechnet. Nun war es so weit, und es blieb keine Zeit zum Nachdenken mehr, nicht einmal, sich noch zu wundern oder Atem zu holen. Nach Keltenart auf die Wirkung ausgiebigen Schreiens vertrauend, laut und unartikuliert wie ein angreifender Heerhaufen, drosch er mit seinem Helm auf den Gegner ein, immer wieder, ohne Pause, ohne ihm die geringste Chance zum Rückzug zu lassen, sah ihn einknicken, zielte auf den rasierten Schädel, schlug zu, erneut, so fest er nur konnte. Der Kanadier versuchte nach ihm zu greifen. Locatelli versetzte ihm einen Tritt gegen die Schulter. Die Götter wussten, er hatte sich ausgiebig geprügelt in seinem Leben, oft und gerne, nie aber mit einem professionellen Killer, als den er Hanna in luzider Erfassung der Dinge einstufte, also zog er ihm den Helm der Sicherheit halber ein weiteres Mal über den Scheitel, obschon der Mann längst keinen Finger mehr rührte, grapschte nach der merkwürdigen Waffe, stolperte ein paar Schritte zurück und zielte.
Blutspritzer auf Hannas Hinterkopf, auf dem Boden.
Locatellis Hand zitterte.
Nach einer Weile, vom Schüttelfrost der Angst gepackt, wagte er sich wieder vor, ging in die Hocke und hielt Hanna den Lauf an die Schläfe. Keine Reaktion. Der Kanadier hatte die Augen geschlossen und atmete schwer. Locatelli blinzelte, fühlte, wie sein Herzschlag gangweise herunterschaltete. Wartete. Nichts tat sich. Wartete weiter.
Nichts. Gar nichts.
Ganz allmählich begann er zu glauben, dass der Mann tatsächlich ohnmächtig war.
Wohin mit ihm? Fieberhaft dachte er nach. Vielleicht sollte er das Arschloch in die Schleuse packen und einfach im Flug verlieren. Doch das wäre Mord gewesen, und Locatelli war nicht mal in Momenten größter Unbeherrschtheit ein Mörder. Außerdem wollte er wissen, warum
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