Limit
nicht.«
»Das muss Ihnen aber reichen.«
»Tim.« Lawrence seufzte. »Ich will nur sicherstellen, dass uns keine Probleme von einer Seite drohen, von der wir sie am wenigsten erwarten. Sagen Sie mir, was los ist. Ich behandele unser Gespräch vertraulich, niemand wird davon erfahren, wenn Sie es nicht wollen. Julian nicht, und Lynn schon gar nicht.«
»Dana, wirklich –«
»Ich muss meinen Job machen können!«
Tim schwieg einen Moment.
»Sie hatte einen Zusammenbruch«, sagte er matt. »Vor einigen Jahren. Ausgebrannt, depressiv. Die Sache kam und ging, aber seitdem werde ich die Angst nicht los, es könnte sich wiederholen.«
»Ein Burn-out?«
»Nein, schon mehr eine –« Das Wort wollte ihm nicht über die Lippen.
»Krankheit?«, ergänzte Lawrence.
»Lynn spielt es herunter, aber – ja. Eine krankhafte Disposition. Ihre – unsere Mutter war depressiv, sie wurde schließlich –«
Er schwieg. Lawrence wartete, ob er noch etwas hinzufügen wollte, doch er fand, er habe genug gesagt.
»Danke«, sagte sie ernst. »Bitte haben Sie ein Auge auf Ihre Schwester.«
Er nickte unglücklich, gesellte sich zu Kokoschka, und sie zogen los, mit tragbaren Detektoren ausgestattet, während er sich fühlte wie ein gottverdammter, elender Kollaborateur. Zugleich quälte ihn Lawrences Verdacht. Nicht, weil er Lynn ungerechtfertigten Verdächtigungen ausgesetzt sah, sondern weil die Ungewissheit an ihm nagte. Konnte er wirklich beide Hände für Lynn ins Feuer legen? Er würde sein Leben für sie hingeben, so viel wusste er, egal, was sie tat.
Aber er war sich einfach nicht sicher.
GANYMED
Locatelli lag in fötaler Haltung auf dem Boden der Schleuse, unmittelbar vor den Schotts, die Beine angewinkelt. Beinahe zwei Drittel der Kabine waren verglast, doch solange er unten blieb, im Schutz der Abschirmung, würde man ihn vom Passagierraum und vom Cockpit aus nicht sehen können. Fieberhaft entwickelte und verwarf er einen Plan nach dem anderen. Wann immer er den Kopf verdrehte, konnte er im Visier eben noch das Kontrollfeld an der Innenwand der Schleuse erkennen, das Druck, Atemluft und Umgebungstemperatur anzeigte. Die Kabine war geflutet, doch er traute sich nicht, den Helm abzunehmen. Zu groß war seine Befürchtung, der Pilot könne genau in dem Moment auf die Idee kommen, die Schleuse einer Inspektion zu unterziehen, wenn er gerade mit dem verdammten Helm beschäftigt war. Er hatte sich zwischen den Schotts hindurchgezwängt, kaum dass sie auseinandergeglitten waren, den Aufwärts-Befehl eingegeben, sich zu Boden fallen lassen, nicht den Bruchteil einer Sekunde vergeudet. Dennoch konnte es dem Kerl nicht entgangen sein, dass die Kabine ein weiteres Mal nach unten gefahren war.
Vorsichtig richtete er sich ein winziges Stück auf und spähte nach etwas, das sich als Waffe verwenden ließe, doch das Schleuseninnere hielt nichts Hieb- und Stichtaugliches bereit. Immer noch beschleunigte die Ganymed. Er schätzte, dass es einen Autopiloten gab, aber solange der Shuttle seine Endgeschwindigkeit nicht erreicht hatte, konnte Wer-immer-da-vorne-saß die Kontrollen nicht aus dem Auge lassen. Später mochte es zu spät sein, sich der Panzerungen und des Helms zu entledigen. Vielleicht sollte er es doch jetzt tun.
Im selben Moment kam ihm eine Idee.
Rasch öffnete er die Verschlüsse des Helms und nahm ihn ab, legte ihn neben sich, machte sich fieberhaft an der Brustpanzerung zu schaffen. Der Beschleunigungsdruck ließ nach. Hastig fingerte er an den Verschlüssen und Ventilen herum, schälte sich aus dem Überlebensrucksack und schob den ganzen Krempel ein Stück beiseite. Jetzt war er beweglicher, und etwas, das sich als Waffe für einen Überraschungsangriff nutzen ließ, hatte er auch. Aufs Äußerste angespannt lag er da und wartete. Der Shuttle legte sich in eine Kurve, gewann weiter an Höhe. In seinem Schädel rumorte die Gewissheit, dass er nur diese eine Chance hatte. Wenn er Peter oder Carl, wer immer von beiden die Ganymed steuerte, nicht gleich beim ersten Mal erwischte und ausschaltete, konnte er sich ebenso gut aus der Welt verabschieden.
Jammere nicht, Arschloch, dachte er, du hast es so gewollt. Und eigenartigerweise – oder auch nicht – klang seine innere Stimme in all ihrer Herablassung, einschließlich gewisser Besonderheiten der Modulation bis hin zum asiatisch gerollten R, exakt wie die Momokas.
GAIA, VALLIS ALPINA
Lawrence trat zu ihrem Arbeitsplatz und verharrte.
Depressiv.
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