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Lincolns Träume

Lincolns Träume

Titel: Lincolns Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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vielleicht nicht mit dir wird sprechen wollen. Sie identifiziert dich mit der Ablehnung ihrer Psychose.«
    Ich legte auf und kehrte wieder zu Lincoln zurück, der ebenfalls schreckliche Träume gehabt hatte. Aber niemand hatte ihn davon zu überzeugen versucht, daß das östliche Zimmer nicht das östliche Zimmer war. Niemand hatte ihm erzählt, der Tote mit dem schwarzen Tuch über dem Gesicht sei ein Symbol für verdrängte Schuldgefühle oder ein neuraler Impuls, den seine Hormone zufällig ausgelöst hatten. Niemand hatte ihn danach gefragt, was er vor dem Zubettgehen gegessen hatte.
    Kate brachte mir die Bibliographie. »Die wir haben, habe ich mit Sternchen versehen«, sagte sie, auf mit Tinte geschriebene Anmerkungen am Rand deutend, »und die Zweigstellen gekennzeichnet, wo sie stehen. Wollen Sie, daß ich sie aus den Zweigstellen herschicken lasse?«
    »Nein, das ist nicht nötig. Ich hole sie morgen selbst.«
    »Wovon handelt Brouns neues Buch?«
    »Abraham Lincoln«, sagte ich.
    »Oh, ich wußte nicht, daß Abraham Lincoln krank war.«
    »Was?«
    »Prodromale Träume werden von Leuten geträumt, die krank sind, aber es noch nicht wissen. An welcher Krankheit litt Abraham Lincoln?«
    »An schlechten Träumen«, sagte ich.
    Broun war zurück, als ich nach Hause kam, und stand im Wintergarten und betrachtete seine afrikanischen Veilchen. Ich reichte ihm die Bibliographie. »Hat jemand angerufen?« fragte ich.
    »Ich weiß nicht«, sagte er steif. »Ich habe den Apparat angelassen, damit dir keine deiner Nachrichten entgeht.
    Hast du herausbekommen, wo Willie Lincoln begraben wurde?«
    »Nein.« Ich ging die Treppe hoch. »War Lincoln krank, als er erschossen wurde?«
    »Er war besessen vom Bürgerkrieg«, sagte er bitter.
    Ich ging ins Arbeitszimmer und schloß die Tür, doch der Anrufbeantworter hatte keine Nachrichten gespeichert, also hatte Annie nicht angerufen.
    Ich verbrachte den größten Teil des nächsten Tages damit, die in der Bibliographie aufgeführten Bücher einzusammeln, damit Broun sie mitnehmen konnte. Die Druckfahnen kamen per Eilzustellung am Nachmittag. Es war den ganzen Tag über bewölkt, kalt außerdem. Brouns Flugzeug ging erst um halb sechs, und als wir zum Flugplatz aufbrachen, begann es neblig zu werden.
    »Ich möchte, daß du für mich nach Virginia runterfährst«, sagte Broun gezwungen, sobald wir auf den Rock Creek Parkway eingebogen waren. »Ich weiß, du hältst nichts von diesem Herumgehetze, aber es ist wichtig für mich, daß du mit einem Arzt in Fredericksburg sprichst.«
    Nach Fredericksburg waren es nur fünfzig Meilen. Falls Annie anrufen sollte, konnte ich in anderthalb Stunden zurück sein. Falls sie anrufen sollte. »Wie heißt der Arzt?«
    Er durchwühlte seine Jackentasche. »Barton. Dr. Barton. Hier ist die Adresse.« Er hatte ein gefaltetes Stück Papier herausgefischt. Er faltete es auseinander. »Dr. Stone hat mir seinen Namen gegeben. Dieser Dr. Barton leidet an Akromegalie. Normalerweise wird das behandelt, ehe es zum offenen Ausbruch von Symptomen kommt, aber er ist so alt, daß es bei ihm nicht dazu kam. Ich möchte, daß du herausfindest, was für Träume er hat.« Er machte eine Pause, als erwartete er, daß ich Einwände hätte.
    »Wann soll ich fahren? Morgen?«
    »Wann immer es dir gelegen erscheint«, sagte er.
    Ich fuhr am Lincoln Memorial vorbei und auf die Brücke. »Ich hätte das mit dem Herumgehetze nicht sagen sollen«, sagte ich. »Ich weiß, wie wichtig dieses Buch für Sie ist.«
    »Eine Obsession sagtest du, glaube ich.«
    Ich sah die Villa Arlington vor uns auf dem schneebedeckten Hügel und dachte daran, daß Richard zu Annie gesagt hatte, sie sei vom Krieg und vom Töten besessen. »Ich hätte das ebenfalls nicht sagen sollen.«
    Wir bogen auf die nach Süden führende Straße ein. »Lincoln litt an Akromegalie«, sagte Broun, als wollte er sich für seine frühere Schroffheit entschuldigen, als ich ihn gefragt hatte, ob Lincoln krank gewesen sei. »Deshalb war er so groß. Es ist eine Drüsenkrankheit. Die Knochen wachsen zu stark. Die Hände und die Nase werden breit, und die Füße werden groß. Leute, die an Akromegalie leiden, bekommen Rheuma und Diabetes und leiden an Melancholie. Es kann tödlich sein.«
    »Und Sie glauben, das hat ihn umgebracht?« sagte ich sarkastisch und bereute es sofort.
    »Ich dachte, es könnte eine Erklärung für die Träume sein«, sagte er, wandte sich ab und schaute aus dem Seitenfenster in die

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