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Lincolns Träume

Lincolns Träume

Titel: Lincolns Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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ein paar Stellen, bei denen es sich um Fehler handeln könnte und die ich mit ihm besprechen möchte, ehe ich die Fahnen abgebe.«
    »Alles, was ich habe, ist die Nummer seines Westküstenagenten«, sagte sie. »Wenn Sie ihn erreichen, sagen Sie ihm bitte, er möchte mich anrufen. Ich habe eine Menge Nachrichten für ihn. Was macht er dort draußen?«
    »Er arbeitet an einem neuen Buch über Lincolns Träume.«
    »Oh, gut«, sagte sie. »Ich hatte schon Angst, er wäre immer noch mit Die Bürde der Pflicht zugange. Oh, und Jeff, da war ein Anruf für Sie. Von einem Dr. Richard Madison. Er meinte, er müsse Sie dringend sprechen. Ich dachte, Sie wären mit Broun zusammen in Kalifornien, und das habe ich ihm auch gesagt. Tut mir leid.«
    »Ist schon in Ordnung. Ich habe mich ein bißchen versteckt, um die Fahnen fertig zu machen. Wann hat er angerufen?«
    »Oh, das war vor zwei oder drei Tagen. Er hat keine Nummer hinterlassen. Soll ich versuchen, ihn im Telefonbuch zu finden?«
    »Nein!« sagte ich und lachte dann, wobei ich hoffte, es klänge entschuldigend und nicht genervt. »Ich muß diese verdammten Fahnen vom Hals haben, bevor ich mit irgend jemandem spreche. Wenn er wieder anruft, bin ich immer noch in Kalifornien, okay?«
    »Okay.« Es entstand eine Pause. Ich hatte mich so daran gewöhnt, mit dem Anrufbeantworter zu sprechen, daß ich beinahe die Löschtaste gedrückt hätte. »Jeff, all diese Psychiater helfen Broun doch nur bei der Recherche, nicht wahr?«
    »Sicher. Er versucht, die Ursache von Lincolns Träumen herauszufinden.«
    »Oh, gut«, sagte sie. »Er hatte so große Schwierigkeiten mit Die Bürde der Pflicht, daß ich schon dachte… Ich habe mir wegen ihm Sorgen gemacht.«
    »Ihm geht’s gut. Ich werde die Druckfahnen bis Montag bei McLaws und Herndon abliefern.«
    Ich ging hinüber, um nach Annie zu sehen. Sie schlief bereits, mit ineinander verschränkten Händen. Ich fragte mich, ob es richtig gewesen war, sie zum Schlafen zu bringen, oder ob ich sie nicht bloß weiteren Alpträumen aussetzte. Ich wußte, wie sich Lee gefühlt hatte, als er seinen Sohn Rob bei Antietam wieder in die Schlacht zurückschickte. Ich hatte zu ihr gesagt, daß ich ebenfalls versuchen würde, ein bißchen zu schlafen, doch ich bezweifelte, daß ich es könnte. Ich machte mir zu viel Sorgen um sie. Ich zog meine Schuhe aus und setzte mich mit den Danksagungsseiten für Die Bürde der Pflicht in den grünen Sessel.
     
    »Ich fahre zum Schlachtfeld, Jeff«, sagte Annie, die sich über mich gebeugt hatte. Sie hatte ihren grauen Mantel an. »Schlaf weiter.«
    »Ist es denn nachts geöffnet?« sagte ich. Ich setzte mich auf und verstreute die Danksagungen um mich herum. Ich war eingeschlafen, und sie hatte wieder von Fredericksburg geträumt. »Ich glaube nicht, daß es nachts geöffnet ist.«
    »Es ist drei Uhr«, sagte sie und nahm ihre Geldbörse und den Zimmerschlüssel. »Schlaf wieder ein.«
    Im Zimmer war es fast dunkel. Sie hatte ihre Nachttischlampe angemacht. Drei Uhr. Ich konnte sie nicht mitten in der Nacht zum Schlachtfeld fahrenlassen. Ich mußte aufstehen und mich anziehen und sie begleiten.
    »Ich komme mit dir«, sagte ich und beugte mich vor, um die Schuhe anzuziehen.
    »Schlaf weiter«, sagte sie und schloß die Tür hinter sich.
    Ich stand auf, immer noch davon überzeugt, daß es drei Uhr morgens war und überrascht davon, daß ich angezogen war. Ich mußte den Nachmittag über und bis in die Nacht hinein geschlafen haben, während Annie von Fredericksburg oder noch Schlimmeres geträumt hatte. Eingeschlafen im Dienst. Dafür wurden Soldaten erschossen.
    Ich nahm meinen Mantel und polterte über die Außentreppe zum kleinen Parkplatz hinunter, aber der Wagen war immer noch da. Eine lange, sinnlose Minute stand ich auf dem Parkplatz, schaute umher und versuchte daraufzukommen, wo sie hingegangen war, und so wach zu werden, um zu begreifen, daß es nicht mitten in der Nacht war.
    Es begann zu dunkeln, und einige Autos hatten die Scheinwerfer an. Die Schlechtwetterfront, die die Serviererin vorausgesagt hatte, war eingetroffen. Es war windig, und eine graue Wolkendecke bedeckte den Himmel. Die Serviererin hatte recht, dachte ich und hätte alles dafür gegeben, wenn sie sich jetzt über meine Schulter gebeugt und mir eine Tasse Kaffee eingegossen hätte, um mich wachzumachen.
    Und wo war Annie? Was, wenn sie überhaupt nicht zum Schlachtfeld hinausgefahren war? Was, wenn sie einen Bus nach Arlington

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