Linda, H: Winterherzen: Für morgen, für immer
obwohl sie ihn anstarrte. Stirnrunzelnd trat er zu ihr.
„Claire?“ Sie antwortete nicht. Er hockte sich vor ihr nieder, nahm ihre Hand, rieb ihre kalten Finger. „Claire, was ist geschehen?“
Ihre dunklen Augen blickten ihn ausdruckslos an. „Sam, ich habe dich betrogen.“ Langsam, wie eine alte, schwache Frau, hob sie das Magazin vom Boden auf, blätterte es durch, bis sie zu dem Artikel über „Spencer-Nyle“ kam. „Ich habe mich mit ihm getroffen“, flüsterte sie und deutete auf das Foto von Max. „Aber er hat mir gesagt, dass sein Name Benedict lautet, und er … er weiß von dem Grund stück.“
Sam nahm ihr das Magazin aus der Hand, mit starrem Gesicht, und sie fragte sich, ob er sie nun hasste. Er sollte es, würde sie vermutlich auf der Stelle entlassen, und sie hatte es nicht besser verdient. Sie hatte ihn seine Firma gekostet, mit ihrer unglaublichen Dummheit.
„Wie ist es dazu gekommen?“, murmelte er.
Claire erzählte es ihm, ohne sich zu schonen. Tränen rannen über ihre blassen Wangen, aber sie spürte es nicht. Sam ergriff ihre Hand, und als sie zu Ende gesprochen hatte, tat er etwas Unglaubliches. Er nahm sie sanft in die Arme, barg ihren Kopf an seinerSchulter. Seine Zärtlichkeit, wo er sie doch hätte hassen müssen, raubte ihr den letzten Rest der Beherrschung. Schluchzer schüttelten ihren Körper. Lange Zeit weinte sie, und Sam streichelte ihr über das Haar und flüsterte ihr beruhigende Worte zu.
Schließlich verebbten die Schluchzer, und sie hob ihr tränenüberströmtes Gesicht von seiner Schulter. „Ich packe meine Sachen und gehe“, wisperte sie.
„Warum?“
„Warum? Sam, ich habe dich die Firma gekostet! Ich habe bewiesen, dass man mir nicht vertrauen kann.“
„Nun, da irrst du dich.“ Er holte ein Taschentuch hervor und reichte es ihr. „Es stimmt zwar, dass dieses Grundstück unser Trumpf war, aber ‚Spencer-Nyle‘ will uns ernsthaft, und daher haben wir keine Chance. Sie sind zu groß, zu mächtig. Ich konnte nur hoffen, mehr Geld herauszuschlagen, als sie zahlen wollten. Und was dich angeht … Ich würde sagen, du bist die vertrauenswürdigste Angestellte, die ich habe. Du hast einen Fehler begangen, und ich glaube, du würdest eher über glühende Kohlen gehen, als diesen Fehler zu wiederholen.“
„Ich verstehe nicht, wie du mir verzeihen könntest, weil ich mir selbst nie verzeihen werde.“ Sie trocknete sich die Augen, knetete dann das Taschentuch in den Händen.
„Du bist auch nur ein Mensch. Wir alle machen Fehler. Betrachte deinen Fehler einmal von einem anderen Standpunkt aus. Wird das, was du Conroy erzählt hast, jemanden die Stellung kosten? Wahrscheinlich nicht. ‚Spencer-Nyle‘ wird unsere Fachkräfte brauchen. Ändert dein Fehler etwas am Ausgang des Übernahmeversuchs? Ich glaube nicht. Sie haben uns sowieso in der Tasche, und um die Wahrheit zu sagen, ich bin erleichtert. Das Einzige, was sich ändert, ist der Zeitpunkt.“ Der Anflug eines Lächelns spielte um seine Lippen, und in seine Augen trat ein entrückter Blick. „Ich wünschte, die Fehler, die ich begangen habe, wären nicht ernster als deiner.“
„Er hat mich benutzt“, flüsterte sie erstickt.
„Er wird zurückkommen, Claire. Er wird die Verhandlungen führen, die Übernahme überwachen. Du wirst ihn wiedersehen,mit ihm zusammenarbeiten müssen. Wirst du damit fertig?“
Ein Teil von ihr sagte Nein, schreckte vor der Vorstellung zurück. Wie konnte sie es ertragen, Max anzusehen in dem Wissen, dass er sie benutzt, sie belogen, sie verraten hatte, und dass sie ihn trotzdem noch liebte? Aber wenn sie ging, dann wohin? Wenn sie weglief, musste sie sich dennoch am Morgen im Spiegel ins Gesicht sehen.
In den vergangenen fünf Jahren hatte sie sich mühsam ein neues Leben aufgebaut und ihr Selbstwertgefühl entwickelt. Wenn sie nun weglief, wäre alles umsonst gewesen. Feige wie ein Hase würde sie sich vor sich selbst verstecken. Nein, dachte sie, nie wieder. Sie wollte sich nicht von Max Benedict – nein, Max Conroy, zerstören lassen. „Ja, ich werde damit fertig.“
„Braves Mädchen“, lobte Sam und klopfte ihr auf die Schulter.
Irgendwie überstand Claire den Tag und auch die folgende Nacht. Die Nacht war schlimmer, denn während des Tages wurde sie wenigstens durch die Arbeit abgelenkt. Doch in der Nacht war sie allein mit sich und ihren Gedanken. Sie lag wach, wie immer, seit Max gegangen war, und versuchte ihre Zukunft zu planen. Denn trotz Sams
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