Linda, H: Winterherzen: Für morgen, für immer
ihr Gesicht wirkte völlig neutral. Sie gab sich unnahbarer denn je zuvor, und das erzürnte ihn. Noch hinderte ihn sein Auftrag, aber sobald der vollendet war, wollte er diese verdammte Mauer einreißen, die sie um sich herum aufgebaut hatte.
8. KAPITEL
Z wei lange Wochen dauerten die Verhandlungen an. Denn Sam Bronson besaß immer noch einen starken Trumpf, den er geschickt ausspielte – sich selbst. Er bildete in der Tat den wichtigsten Faktor bei „Bronson Alloys“. Es war sein Genie, sein Instinkt, sein Forschen, das die Legierungen hervorbrachte. „Spencer-Nyle“ war bemüht, Sam Bronson ebenso wie die Firma zu kaufen, und alle Beteiligten wussten es. Um ihn zu halten, mussten sie ihn zufriedenstellen, und um ihn zufriedenzustellen, mussten sie Zugeständnisse machen. Die Sicherheit der Arbeitsplätze wurde garantiert, sodass entgegen den üblichen Gepflogenheiten bei einem Besitzerwechsel keine Entlassungen stattfanden. Die Sozialleistungen wurden verbessert und die Gehälter erhöht, sodass die Belegschaft zufrieden sein konnte, obgleich sich die Firmenstruktur änderte.
Dennoch gelang es Max, eine Übereinstimmung zu erzielen, die „Spencer-Nyle“ weniger kostete, als Anson befürchtet hatte. Er schaffte es durch kühle, unerbittliche Verhandlungen, indem er in keinem Punkt nachgab, der ihm übertrieben erschien. Er musste Sam Bronson zugestehen, dass er hart und zäh für seine Firma kämpfte. Aber Stück für Stück gelang es Max, Bedingungen auszuhandeln, die für beide Seiten akzeptabel waren.
Und Claire war jeden Tag dabei, führte ruhig Protokoll, und allein ihre Gegenwart sorgte dafür, dass niemand die Beherrschung verlor. Irgendetwas an ihrem sanften Gesicht, an ihren samtenen Augen veranlasste die Anwesenden, ihr Temperament zu zügeln und auf ihre Ausdrucksweise zu achten.
Max beobachtete sie verstohlen, wenn auch eindringlich. Es gelang ihm kaum, den Blick von ihr zu lösen. Er hatte nicht versucht, sie noch einmal anzurufen. Er wollte abwarten, bis er sich ihr vollkommen widmen konnte. Die Zeit stand auf seiner Seite. Er versuchte ihre Gedanken zu erraten. Sie musste zornig auf ihn sein, aber sie zeigte es nicht. Sie verhielt sich so zurückhaltend höflich wie gegenüber einem Fremden, so als bedeutete er ihr gar nichts, soals hätten sie sich nie voller Leidenschaft geliebt. Er hätte es vorgezogen, wenn sie ihm heftige Szenen gemacht hätte. Zorn oder Tränen konnte er verkraften. Aber ihre völlige Gleichgültigkeit trieb ihn beinahe zum Wahnsinn.
Claire wusste, dass Max sie beobachtete, doch sie reagierte nicht darauf. Sie konnte diese fatale Situation nur dann überstehen, wenn sie ihre Gefühle und ihren Schmerz tief in ihrem Innern vergrub und nicht darüber nachdachte. Und das Ende eines jeden Tages bedeutete einen kleinen Sieg für sie: ein weiterer Tag, an dem sie nicht zusammengebrochen war. Sie wusste nicht, wie lange die Verhandlungen andauern würden, und daher schmiedete sie keinerlei Zukunftspläne. Es konnte Tage oder Wochen dauern, bis Max endgültig aus ihrem Leben verschwand, ja vielleicht sogar Monate, falls er die Umstellung nach dem Besitzerwechsel überwachte. Und daher lebte sie einfach von einem Tag zum anderen.
Sam sprach niemals mit ihr über Max. Er verhielt sich, als hätte er ihre frühere Beziehung zu ihm vergessen. Und es ergab sich auch kaum Gelegenheit für Privatgespräche. Sie hatten stets alle Hände voll zu tun und waren nie allein im Büro. Max und seine Leute prüften die Bücher, waren deshalb ständig anwesend, und sowohl Sam wie Claire hüteten ihre Zunge.
Die Schlussverhandlung war lang und erschöpfend. Zigarettenrauch und der Geruch nach altem abgestandenen Kaffee erfüllte die Luft im Sitzungssaal, und die Gemüter waren erhitzt und die Stimmen heiser vom stundenlangen Diskutieren.
Claire führte Protokoll. Ihre Finger waren inzwischen verkrampft, und ihr Rücken schmerzte scheußlich vom langen Sitzen. Die schlechte Luft schlug ihr auf den Magen, sodass sie keinen Bissen hinunterbekam, als zum Mittagessen belegte Brote und Kaffee serviert wurden. Sie sehnte sich unendlich nach frischer Luft und Stille.
Am späten Nachmittag setzte ein wolkenbruchartiges Gewitter ein und reinigte die Straßen der Stadt. Mit einem verständnisvollen Blick in Claires bleiches Gesicht stand Sam auf und öffneteein Fenster. Angenehm frische, regenmilde Luft strömte herein. Schwere finstere Wolken bedeckten den Himmel, und die Straßenlaternen gingen
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