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Linda Lael Miller

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Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn dein Herz kennt den Weg
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den Teller fortstellte, um wieder
Pinsel und Farben aufzunehmen. Sie hatte sich für ein dunkles Kastanienbraun
für das lange, wellige Haar der Jungfrau entschieden, mit goldenen
Glanzlichtern darin.
    »Nach Wellingsley
zurückzukehren«, erwiderte Christian schroff, »und den Freund meines Bruders,
Queech, in den Burggraben zu werfen. Falls ich nicht beschließe, ihn schon
vorher umzubringen.«

7. Kapitel
    Während Christian auf seinem Krankenlager
lag, Melissande beim Zeichnen beobachtete und Schmerzen in jedem seiner
Muskeln, jedem Knochen und vor allem in seinem Herzen spürte, kam ihm zu
Bewußtsein, daß seine Entschlossenheit, ihr nie wieder etwas anderes als unversöhnlichen
Haß entgegenzubringen, allmählich nachließ. Und deshalb klammerte er sich daran
fest, wie ein Kind im Arbeitshaus sich in einer bitterkalten Winternacht an
seine zerlumpte Decke klammern würde, weil die Feindseligkeit, die er dieser
Frau entgegenbrachte, seine einzige Verteidigung war. Ohne sie wäre seine
Seele nackt gewesen und jeder Nerv entblößt.
    Und doch,
trotz allem, mußte er immer wieder daran denken, wie es wäre, sie zu küssen.
Dieser Gedanke führte natürlich unweigerlich zu noch intimeren Vorstellungen,
und sein Körper, der schon so lange kein Verlangen mehr empfunden hatte,
reagierte unwillkürlich darauf.
    Er
unterdrückte ein Stöhnen, aber nicht schnell genug, schien es.
    Melissande
schaute von ihrer Arbeit auf. Die Nachmittagssonne verwandelte sie in einen
Engel, viel schöner noch, als sie je einen zu zeichnen in der Lage wäre. »Was
ist, Christian?«
    »Ich möchte
baden«, sagte er. Und das stimmte auch, obwohl es nur ein kleiner Teil dessen
war, was er wirklich wollte. Er würde sich von Melissande waschen lassen, würde
ihre geschickten, sanften Hände auf seiner Haut fühlen – auf Haut, die keine
zärtliche Berührung mehr gekannt hatte, bis er zu dieser Abtei gebracht und vor
dem Eingangstor zurückgelassen worden war.
    Er fragte
sich natürlich immer noch, wer ihn hierhergebracht haben mochte und aus
welchem Grund, aber er war noch weit davon entfernt, sich persönlich auf die
Suche nach den Antworten auf diese verwirrenden Fragen zu begeben, und das war
ihm bewußt. Seine linke Hand und sein
rechter Knöchel waren geschient und fast sein gesamter Körper bandagiert oder
verbunden. In naher Zukunft würde er ganz bestimmt nicht in der Lage sein, sich
auf irgendeine Reise zu begeben.
    »Du
möchtest also baden«, wiederholte Melissande, während eine entzückende Röte in
ihre blassen Wangen stieg. Er bemerkte, daß ihre Finger ein wenig zitterten,
als sie den Pinsel in irgendein Lösungsmittel tauchte, ihn an einem Tuch
abwischte und dann sorgfältig beiseite legte.
    »Ja«,
erwiderte Christian. Er hatte sie aus der Ruhe gebracht, und das war der
Höhepunkt seines Tages.
    Bisher.
    »Ich bin
sicher, daß Bruder Nodger dir gern dabei behilflich sein wird, wenn er das
nächste Mal kommt, um dich zu besuchen.«
    »So lange
will ich nicht mehr warten.«
    Melissande
wirkte einen Moment lang leicht verärgert, doch dann begann sie wieder die
ruhige Gelassenheit auszustrahlen, die sie sich bei den Nonnen angeeignet
hatte. »Das Opfer mußt du schon bringen«, sagte sie ruhig. »Es wird deiner
Seele guttun, dich in Geduld zu üben.«
    Fast hätte
er gelacht. Das war die Melissande, die er gekannt und geliebt und der er einst
vertraut hatte. Die vorlaute kleine Göre mit der frechen Zunge. »Eher würde es
wohl deiner Seele Nutzen bringen, einem armen, kraftlosen Wandersmann
in der Stunde seiner größten Not beizustehen. Wie ein guter Samariter. Oder
wie unser Herrgott selbst, der sogar die Füße der Unwürdigen gewaschen hat.«
    Ein Muskel
zuckte an ihrer Kehle, und Christian spürte ihren Zorn durch den Raum tosen wie
einen unsichtbaren Sturm, mit der ganzen aufgestauten Energie eines Gewitters,
das kurz vor seinem Ausbruch stand. »Mag sein«, erwiderte sie beherrscht, weil
sie so gut wie er wußte, daß Mutter Erylis – Gott segne ihr unschuldiges,
wohltätiges Herz – das Baden eines Patienten als nichts anderes als die natürliche
Aufgabe einer Pflegerin ansehen würde.
    Christian
seufzte zufrieden. »Ich hätte gern parfü mierte Seife, falls das möglich ist.
Und heißes Wasser – sehr viel heißes Wasser.«
    »Du bist
unausstehlich!«
    »Und so
schmutzig, daß ich mich in meiner eigenen Gesellschaft nicht mehr wohl fühle.«
    »Das, mein
Herr, kann ich sehr gut verstehen.«
    Er
lächelte.

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