Linda Lael Miller
April war, lag nur wenig Brennholz in
der Kate bereit.
Während
Susan Farley sich stöhnend auf dem Bett herumwarf, ging Bonnie zur Tür und
wandte sich an die herumstehenden Frauen. »Wir brauchen Holz, um das Feuer in
Gang zu halten. Suchen Sie bitte welches, und bringen Sie es mir!«
Mehrere der
Frauen eilten zum Flußufer hinunter, um angeschwemmtes Treibholz zu sammeln.
Gegen Sonnenuntergang gebar Susan Farley ihr Kind, einen kleinen Jungen, der
viel zu klein war, um zu überleben. Doch Genoa gab sich nicht geschlagen.
»Bonnie,
erinnerst du dich, was ich dir von Mama erzählte – daß sie winzig klein war,
als sie geboren wurde? Die Hebamme legte sie in einen Schuhkarton und hielt
sie in einem Ofen warm.«
Bonnie
nickte nachdenklich. Sie und Genoa hatten das Kind gewaschen und in eine warme
Decke eingewickelt, aber es war trotzdem blau vor Kälte. »Einen Versuch ist es
wert, nicht wahr, mein Kleiner?« sagte sie leise und spürte, wie ihr die Tränen
kamen.
Genoa
berührte beruhigend Bonnies Schulter. »Wir nehmen den Kleinen mit zu mir nach
Hause und werden uns bemühen, ihn zu retten«, sagte sie, aber ihre Blicke
schweiften nachdenklich durch das schäbige Innere der Hütte. »Obwohl ich mich
frage, ob wir dem Jungen damit einen Gefallen tun. Er wird es nicht leicht
haben.«
Bonnie
holte tief Luft. »Welches Leben ist schon leicht?«
Genoa
seufzte. »Das stimmt natürlich.« In diesem Augenblick betrat ein großer Mann
mit weißem Haar und schmutzigen Kleidern die Hütte.
»Das ist
John Farley«, sagte Eli, der nach ihm eingetreten war. »Der Mann, der bei dem
Unfall umgekommen ist, war sein Sohn.«
Farley trat
ans Bett, sein Gesicht war verzerrt vor Sorge, seine Stimme heiser vor
Hoffnungslosigkeit. »Das Kind?« fragte er.
Bonnie
zeigte Mr. Farley seinen Enkel, deckte das Baby dann jedoch rasch wieder zu. Es
wäre furchtbar gewesen, wenn das kleine Wesen sich auch noch eine Erkältung
zugezogen hätte.
»Er ist so
klein«, murmelte Farley bestürzt.
Genoa
richtete sich sehr gerade auf, und obwohl ihr Haar zerzaust und ihre Kleider
beschmutzt waren, strahlte sie eine nicht zu ignorierende Würde aus. »Mr.
Farley, es besteht eine Chance, daß ihr Enkel überleben wird, wenn er die
richtige Pflege erhält. Auch Susan wird Wärme und gutes Essen brauchen, um
sich zu erholen. Ich möchte beide mit zu mir nach Hause nehmen.«
»In Ihr Haus,
Madam?« entgegnete Mr. Farley fassungslos. »Warum sollten Sie das tun?«
Genoa warf
Eli einen herausfordernden Blick zu, bevor sie resolut antwortete: »Ich bin
eine McKutchen und fühle mich für die Folgen dieser Tragödie verantwortlich.«
Abrupt
wandte Eli sich ab und ging hinaus. Bonnie folgte ihm, das Baby in den Armen.
Sie mußte sich beeilen, um mit Eli Schritt zu halten, der sich hastig in
Richtung Uferböschung entfernte. »Eli!« rief sie schließlich atemlos, aber
obwohl er stehenblieb, drehte er sich nicht zu ihr um.
»Eli, was
heute geschehen ist, war schrecklich, aber es war nicht deine Schuld!« sagte
sie beschwörend.
Eli wandte
ihr auch weiterhin den Rücken zu. »Der Fluß steigt«, sagte er nach einer Weile.
Die Qual,
die in seiner Stimme mitklang, war Bonnie unerträglich. »Dreh dich um, Eli,
und sieh mich an!« sagte sie hart.
Sehr
langsam und als ob es ihn sehr viel Kraft kostete, drehte Eli sich um. Selbst
in der zunehmenden Dunkelheit konnte Bonnie sehen, daß seine Augen verdächtig
feucht waren. »O Gott, Bonnie«, stöhnte er und fuhr sich mit einer Hand durchs
Haar. »Wie habe ich das alles nur übersehen können? Wie konnte mein Großvater
das?«
Bonnie
wußte, daß er von den Zuständen im Werk sprach und in Patch Town, wo so viele
seiner Arbeiter zu leben gezwungen waren. »Vergangenes läßt sich nicht ändern,
Eli«, sagte sie sanft. »Es ist sinnlos, deswegen zu leiden.«
»Bonnie!«
erklang Genoas Stimme im Halbdunkel. »Wir müssen das Kind aus der kalten
Nachtluft bringen!«
Bonnie biß
sich auf die Lippen und wandte sich ab.
Vor der
Kutsche, in der Susan und Mr. Farley bereits untergebracht waren, reichte sie
ihrer Schwägerin das Baby. »Es ist lieb von dir, dich um Susan zu kümmern,
Genoa«, sagte sie.
Ihre
Schwägerin maß Patch Town mit einem mitleidigen Blick. »Ich wünschte, ich
könnte ihnen allen helfen«, antwortete sie, bevor sie in die Kutsche stieg und
das Gefährt sich in Bewegung setzte.
Bonnie
spürte Elis Gegenwart; ohne sich nach ihm umzusehen, wußte sie, daß er dicht
hinter ihr stand.
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