Linda Lael Miller
bemüht,
eine ernste Miene zu bewahren.
Donnergrollen
erklang, als Eli McKutchen den Saloon verließ. Sein Anwalt warf einen
Geldschein auf die Theke und eilte ihm rasch nach.
Dem Engel
zuliebe hoffte Forbes, daß sich nicht irgendein Narr erbot, Eli ein Ruderboot
zu leihen.
Das Haus hielt Sturm und Regen ab, und
Webb hatte alle Lampen angezündet. Im Kamin brannte ein munteres Feuer, auf
dem sie die Reste des Picknicks aufgewärmt hatten.
Rose
schlief auf Webbs zusammengelegtem Rock, eine Decke aus dem Buggy hielt sie
warm.
Nur Bonnie
war zutiefst unglücklich. »Jetzt ist mein Ruf zerstört!« stöhnte sie.
»Endgültig!«
Webb lachte
leise. »Das ist doch lächerlich«, meinte er. »Der Engel macht sich
Sorgen um seinen guten Ruf!«
»Ich habe
schließlich auch meine Vorstellungen von Moral!« Webb lächelte und gab Bonnie
einen Kuß auf die Nasenspitze. »Sei ehrlich«, sagte er. Sie waren inzwischen
zum > Du < übergegangen. Es ist nicht das Gerede, was dir Sorgen bereitet,
sondern das, was ich deiner Ansicht nach von dir erwarte.«
Bonnie
errötete. »Und das wäre?«
Webb stieß
einen tiefen und etwas übertriebenen Seufzer aus. »Nichts, was du mir nicht
geben willst, Bonnie. Beruhige dich.«
Daß Webb
sie nie zu etwas zwingen würde, wußte sie selbst, aber irgendwie brauchte sie
jetzt etwas, worüber sie sich beunruhigen konnte. »Und wenn es nun tagelang
regnet?« fragte sie mürrisch.
Webb nahm
die neueste Ausgabe seiner Tageszeitung aus dem Picknickkorb und reichte sie
Bonnie. »Dann baue ich dir eine Arche«, erwiderte er trocken. »Lies die
Zeitung, Bonnie, während ich etwas suche, worauf wir schlafen können.«
Der Gedanke
an Schlaf lag ihr fern, aber sie brauchte etwas, um sich abzulenken, und da kam
ihr Webbs neuester Artikel über die Probleme in den Hüttenwerken gerade recht.
Doch während sie ihn las. runzelte sie sorgenvoll die Stirn. Hem Fenwick hatte
recht, als er meinte, einige Leute würden sich durch diesen Bericht auf die
Zehen getreten fühlen.
Angesichts
der sanften, gutmütigen Art, die Webb ihr gegenüber an den Tag legte, war sie
immer wieder erstaunt über die offene, fast aggressive Art, in der er seine
Artikel schrieb. Dieser hier stellte eine scharfe Verurteilung der Außenseiter
dar, die aus reinem Eigennutz Probleme aufbauschten. Webb forderte in seinem
Artikel die Bürger von Northridge auf, Eli McKutchen eine Chance zu geben, die
bestehenden Zustände zu ändern. Und falls er ihren berechtigten Forderungen
nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen nicht nachkommen sollte,
bestand immer noch die Möglichkeit, einen Streik auszurufen.
Bonnie starrte
gedankenvoll in das Feuer, als Webb mit einem Armvoll Arbeitskleidung
zurückkam, die er vor dem Kamin ausbreitete, um eine Art Bett zu schaffen.
»Ich
fürchte, mehr kann ich nicht tun«, sagte er entschuldigend. »Das nächste Mal,
wenn ich herkomme, bringe ich Decken und Vorräte mit.«
Bonnie
konnte nur an den Artikel denken. »Webb, Hem hat ganz recht. Die Gewerkschafter
werden nicht erfreut über deinen Artikel sein.«
»Ich
schreibe nicht, um ihnen eine Freude zu machen, Bonnie.«
Sie zog die
Knie an und legte ihr Kinn darauf. »Offen gestanden überrascht es mich, daß du
Elis Partei ergriffen hast. Sonst hast du immer Kritik an der Leitung der
Hüttenwerke geäußert und einmal sogar eine Kampagne gegen Patch Town
gestartet.«
Webb
seufzte und zog – nach einem vorsichtigen Blick auf Bonnie – sein durchnäßtes
Hemd aus. Erst da merkte sie, daß er vor Kälte zitterte. »Ich bin kein Freund
von Eli McKutchen, Bonnie – er wußte Bescheid über Patch Town und die anderen
Probleme hinsichtlich der Hüttenwerke und hat doch nie etwas unternommen.«
»Und
dennoch verteidigst du ihn.« Bonnie hob einen Mantel von dem Kleiderstapel auf
und legte ihn Webb um die Schultern.
»Ich
verteidige McKutchen nicht«, beharrte Webb. »Ich versuche nur, noch mehr Ärger
zu verhindern. Wenn er bereit ist, die herrschenden Zustände zu ändern, sollte
die Stadt ihm die Chance dazu geben. Ich hoffe bloß, daß es noch nicht zu spät
ist.«
Wieder ließ
Bonnie das Kinn auf die Knie sinken und dachte an die Männer, die bereits in
Streik getreten waren. Ein Frösteln lief über ihren Rücken. »In gewisser Weise
mach' ich mir selbst Vorwürfe. Zumindest, was die Zustände in Patch Town betrifft.«
Webb
schwieg gedankenvoll.
»Niemand
weiß besser als ich, wie es ist, dort zu leben«, beharrte Bonnie. »Ich
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