Linda Lael Miller
verschmutzt, und am liebsten
hätte sie jetzt ein Bad genommen und sich dann ausgeruht. Aber das war ein
Luxus, den sie sich nicht erlauben konnte, solange Webb und Eli sich
gegenüberstanden. Sie mußte zu ihnen zurück, bevor ein Unglück geschah.
Aber als
sie den Laden wieder verließ, war die Straße leer und verlassen. Wo mochten
diese beiden Esel hingegangen sein? Sie mußte sie unbedingt finden.
Tuttle
O'Banyon fegte den Bürgersteig vor ihrem Laden. Aber Bonnie mußte ihn dreimal
ansprechen, bevor er sich ihr zuwandte.
»Hast du
Mr. Hutcheson und Mr. McKutchen gesehen, Tuttle?«
Der Junge
errötete, sein Adamsapfel zuckte auf und nieder. Vermutlich hatte auch er schon
gehört, daß Bonnie die Nacht mit Mr. Hutcheson verbracht hatte. Wahrscheinlich
gab es nicht eine einzige Person in Northridge, die noch nicht Bescheid darüber
wußte! »Ja, Madam.«
Fast hätte
Bonnie mit ihrem Fuß aufgestampft. »Und wo?« Tuttle deutete mit seiner
knochigen Hand auf das Hotel und nahm seine Arbeit wieder auf.
Das Hotel
in dem traurigen Zustand, in dem sich ihr Haar und ihre Kleider befanden, zu
betreten, fiel Bonnie wahrhaftig nicht leicht, und sie tat es nur, weil ihr
keine andere Wahl blieb.
Sie spürte
die Blicke der Kellnerinnen und Gäste wie Nadeln in ihrem Rücken, als sie den
geräumigen Speisesaal durchquerte. Webb und Eli saßen an einem Tisch am
Fenster und starrten sich über dampfende Kaffeetassen wütend an.
Sie
schienen Bonnie im selben Augenblick zu bemerken und erhoben sich beide, obwohl
Webbs Geste aufrichtiger wirkte als Elis, der aussah, als ob er jeden
Augenblick explodieren müßte. Bonnie hätte sich am liebsten unter dem Teppich
verkrochen, als sie den verächtlichen Blick sah, mit dem er ihr Kleid
betrachtete.
»Wenn ihr
eine Szene macht«, flüsterte sie drohend, als Webb ihr einen Stuhl heranzog,
»bringe ich euch beide um. Habt ihr mich verstanden?«
»Aber ja«,
erwiderte Eli und starrte auf seine Tasse herab. »Wir werden diese
Angelegenheit wie erwachsene Menschen behandeln.
Ganz vernünftig«, sagte Webb hochtrabend. »Träumer«, murmelte Eli.
»Ich habe
Mr. McKutchen gerade von unserem Haus erzählt«, wandte Webb sich stolz an
Bonnie.
»Unser
Haus?« krächzte sie und hoffte nur, daß Webb nicht der Illusion erlag, sie
hätten die Nacht mit Pläneschmieden verbracht.
»Ja,
natürlich«, antwortete er strahlend. Er streckte die Hand nach Bonnie aus, zog
sie unter Elis drohendem Blick jedoch rasch wieder zurück. »Bonnie und ich
haben beschlossen, daß es besser ist, unsere wahre Beziehung nicht länger zu
verheimlichen.«
Eli griff
nach dem Buttermesser, und Bonnie drehte sich der Magen um, bis sie sah, daß er
nur damit spielte. »Nach gestern nacht«, stellte er gefährlich ruhig fest,
»kann es keinen Zweifel mehr über eure wahre Beziehung geben.«
Bonnie
errötete. Sie war nicht leichtfertig zu dem Entschluß gelangt, Webb zu heiraten
– sie hatten die ganze Nacht darüber gesprochen – doch Scham empfand sie
darüber nicht. Angst ja. Sorge ja. Aber keine Scham. »Eli ...«
Seine
goldbraunen Augen wandten sich ihr zu. Eine unausgesprochene Drohung lag
darin, aber auch tiefempfundene Qual. In diesem Moment hätte Bonnie die ganze
Charade sofort beendet, wenn Webb ihr nicht zuvorgekommen wäre.
»Aus ganz
bestimmten Gründen hielten Bonnie und ich es bisher für das Beste, unsere Ehe
geheimzuhalten. Aber Tatsache ist, daß wir schon seit langer Zeit Mann und Frau
sind.«
Nur Bonnie
war fähig, Elis kalte Miene zu durchschauen. Er fühlte sich gedemütigt,
zutiefst verletzt. »Wie lange schon?«
»Zwei
Jahre«, sagte Webb. Bonnie hätte kein Wort herausgebracht, selbst wenn ihr
Leben davon abgehangen hätte.
»Zwei
Jahre«, wiederholte Eli seufzend und richtete langsam seinen Blick auf Bonnie.
Sie sah ihm an, woran er dachte – an die Nacht, als er mit ihr geschlafen hatte.
An ihre Leidenschaft und an seine eigene ...
Nur der
Gedanke an die Fünfzig-Dollar-Note, die er als Bezahlung zurückgelassen hatte,
hielt Bonnie davon ab, ihm zuzuschreien, daß Webb ein Lügner war.
Elis Stuhl
glitt geräuschlos über den dicken Teppich, und als er sich erhob, stand auch
Webb auf.
»Zwei
Jahre«, murmelte Eli zerstreut. Dann richtete er seinen Blick auf Webb, und die
Luft schien plötzlich mit Elektrizität aufgeladen zu sein. »Armer,
irregeleiteter Hund«, sagte er leise, bevor er sich abwandte und hinausging.
Bonnie schlug beide Hände vors Gesicht und schluckte hart.
Weitere Kostenlose Bücher