Linda Lael Miller
Rednerpult. Nicht die geringste Spur von
Unsicherheit oder Selbstzweifeln verrieten sich in seiner Stimme und in seiner
Haltung. Er sprach davon, daß jede Familie ein solides neues Haus erhalten
sollte und daß die tägliche Arbeitszeit von zwölf auf acht Stunden verringert
werden würde. Jeder Mann, so sagte er, besäße dann das Recht, sein Haus zu
kaufen, um auf diese Weise für sein Alter vorzusorgen. Diese letzte Ankündigung
rief ein aufgeregtes Flüstern in der Menge hervor, denn eine derartige Absicherung
hatte es für Männer, die sich ihr Brot im Schweiße ihres Angesichts verdienten,
noch nie gegeben.
Einer der
Gewerkschaftsfunktionäre – es war der mürrisch aussehende Mann, der vor drei
Tagen schon einmal zu den Leuten gesprochen hatte – unterbrach Eli mit der
Frage: »Was wird geschehen, Mr. McKutchen, wenn Sie die Gewerkschaft aus
Northridge vertrieben haben? Werden Sie die Männer, die an dem Streik
teilnahmen, bestrafen und ihnen die angekündigten Konzessionen streichen?«
Wieder
entstand Unruhe in der Menge. Viele der Arbeiter befürchteten genau das, was
der Gewerkschafter gerade ausgesprochen hatte.
Eli hob die
Stimme, um sich Gehör zu verschaffen. »Ich habe nichts gegen Gewerkschaften,
Mr. Denning. Es steht den Männern frei, sich zu organisieren, wenn sie das
möchten, aber ich werde nicht die Löhne erhöhen, um die Beiträge zu
finanzieren. Ich glaube, daß die neuen Häuser und die verkürzten Arbeitszeiten
für den Moment als Zugeständnisse ausreichen.«
Genoa, die
in der dritten Reihe saß, stand auf und hielt ihren Blick auf Seth Callahan
gerichtet, als bezöge sie nur durch ihn den nötigen Mut zum Reden. Lizbeth, die
neben Genoa gesessen hatte, erhob sich mit ihr.
»Als
Eigentümerin beträchtlicher Anteile der McKutchen Enterprises möchte ich noch
ein weiteres Zugeständnis machen«, erklärte Genoa mit klarer, wenn auch etwas
zitternder Stimme. »Wir werden eine Schule eröffnen, die ausschließlich für
die Arbeiter und ihre Kinder bestimmt sein wird.«
»Für die Arbeiter, Miss McKutchen?« wandte Denning spöttisch ein, weil er Genoas Unsicherheit
spürte, vor so vielen Menschen zu sprechen, und seinen Vorteil daraus ziehen
wollte.
Genoa
straffte die mageren Schultern, und in diesem Moment bewunderte Bonnie sie mehr
denn je. »Einige von Ihnen«, fuhr Genoa fort und ließ ihren Blick über die
Gesichter schweifen, die neugierig zu ihr hinüberstarrten, »sind nicht des
Lesens und des Schreibens mächtig. Miss Simmons und ich sind bereit, Sie zu
unterrichten.«
Einige der
Frauen aus Patch Town sahen noch viel verblüffter aus als ihre Männer. Bestimmt
hätten sie gern gefragt, ob die neue Schule auch ihnen zugänglich sein würde,
aber keine von ihnen schien den Mut dazu aufzubringen. Also sprach Bonnie ihre
Gedanken aus.
»Was ist
mit den Frauen der Arbeiter, Miss McKutchen? Werden sie auch zum Unterricht
zugelassen?«
Genoa
nickte. »Selbstverständlich«, sagte sie entschieden, um sich dann mit einem
Seufzer der Erleichterung wieder auf ihrem Platz niederzulassen.
Aufgeregtes
Murmeln erhob sich in der Menge. Die wohlhabenderen Damen aus der Stadt, die
natürlich alle eine Schule besucht hatten, zeigten ganz unverhohlen ihre
Mißbilligung.
Forbes
stand auf und trat neben Eli. »Was wollt ihr eigentlich sonst noch, Männer?«
rief er gereizt. »Die McKutchen Enterprises sind bereit, euch wieder arbeiten
zu lassen, obwohl ihr gestreikt habt; sie wird euch neue Häuser geben und die
Möglichkeit, sie zu besitzen – und ihr werdet sogar eine eigene Schule haben!«
Einer der
Männer stand auf. »Wissen Sie, was uns Kopfzerbrechen bereitet, Durrant? Die
Tatsache, daß Sie wieder die Werke leiten!«
Zustimmende
Rufe wurden in der Menge laut.
»Mr.
Durrant wird die Werke leiten, das ist wahr«, mischte Eli sich beschwichtigend
ein. »Aber nur unter meiner Aufsicht oder der von Mr. Callahan. Mr. Durrant
wird über jeden seiner Schritte Rechenschaft ablegen müssen.«
»Woher
sollen wir wissen, daß Sie nicht genauso sind wie er, Mr. McKutchen?« beharrte
der Arbeiter. »Entschuldigen Sie, daß ich es sage – aber früher haben Sie sich
auch nicht um uns gekümmert.«
Bonnie
richtete ihren Blick auf Eli wie alle anderen der Anwesenden. In gewisser
Weise hatte der Zwischenrufer recht, und die Tatsache, daß die McKutchen
Enterprises sehr viel mehr umfaßten als die Hüttenwerke, konnte nicht als
Entschuldigung für Elis Vernachlässigung der Northridger Arbeiter
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