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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Preis des Verlangens
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wieder zwang er sich, diese Vorstellung
aus seinem Bewußtsein zu verbannen.
    Es war
später Nachmittag, als Charlie endlich auftauchte und mit einem abgezogenen
Kaninchen in der Hand ins Lager kam. Zum ersten Mal in seinem Leben verlor der
Indianer die Beherrschung über sich.
    »Nicholas!«
schrie er, als er den Jungen bewußtlos dort am Feuer liegen sah, und ließ das
Kaninchen achtlos in den Staub fallen, um sich neben Nicholas niederzuknien.
Nachdem er die häßliche Wunde unter seinem Hemd gesehen hatte, drehte er sich
wütend und empört zu Gabriel um. »Was hast du dir dabei gedacht, ihn in diesem
Zustand hierherzubringen?«
    Gabe war zu
müde, um irgend etwas zu erklären. »Das tut jetzt nichts zur Sache. Ich habe
den halben Wald verbrannt, um dich auf uns aufmerksam zu machen, also tu
gefälligst etwas!«
    Charlie
schien im ersten Moment ratlos, doch dann kehrte seine übliche Besonnenheit
zurück. »Hast du Whiskey bei dir?« fragte er.
    Gabe zog
den Flachmann aus der Tasche, der nach Nicholas' durstigen Zügen an diesem
Morgen nur noch halb gefüllt war.
    Unverständliche
Worte vor sich hin murmelnd, schraubte Charlie den Deckel ab, warf ihn beiseite
und leerte die Flasche über Nicholas' offener Wunde aus. Nicholas gab einen
schrillen Schrei von sich, als der Alkohol sein wundes Fleisch berührte – er
mußte brennen wie Feuer, obwohl er nur halb bei Bewußtsein war –, und bäumte
sich auf, um den unerträglichen Schmerzen zu entgehen.
    »Jesus«,
hauchte Gabe und strich sich mit der Hand über das Gesicht.
    »Wenn du
schon betest«, knurrte Charlie, während er Nicholas' Lider hob und ihm prüfend
in die Augen schaute, »kannst du deinen großen Geist auch gleich bitten, die
Banditen, denen ich auf der Spur war, von uns fernzuhalten. Wenn ich dein Feuer
gesehen habe, müssen sie es auch gesehen haben. Es sind sechs, und sie sind
schwerbewaffnet und tragen Kavallerieuniformen.«
    »Was?«
    Charlies
ganze Aufmerksamkeit galt Nicholas. »Mach das Kaninchen sauber und steck es auf
einen Zweig über das Feuer. Ich hole derweil Decken und Medizin.«
    »Woher?«
fragte Gabe, der in seiner Angst und Wut, daß Nicholas sterben könne, keinen
klaren Gedanken fassen konnte. Wenn Nicholas starb, war es ausschließlich seine
Schuld.
    »Das ist
unwichtig«, erwiderte Charlie. »Ich habe keine Zeit, deine dummen Fragen zu
beantworten.« Er packte Nicholas unter den Armen und schleifte ihn noch näher
an das Feuer.
    »Der
Whiskey hilft vielleicht ein bißchen, aber er allein genügt nicht. Ich hätte es
besser wissen müssen, als ihn diesem weißen Quacksalber zu überlassen.«
    Nachdem
Charlie sich überzeugt hatte, daß Gabriel seine Anweisungen befolgt hatte und
das Kaninchen bereits über der Glut garte, verschwand er nach einem letzten
Blick auf Nicholas in dem dichten Wald, der sie umgab. Er verließ das Lager
auf die gleiche Art, wie er gekommen war – zu Fuß.
    Der
Indianer war vielleicht eine halbe Stunde fort, als Nicholas die Augen öffnete,
Gabe ansah, ohne ihn zu erkennen, und dann wieder ohnmächtig wurde.
    Gabe preßte
sein Ohr an Nicholas' Brust. Der Junge atmete, und sein Herz schlug. Für den
Moment war das genug.
    Er setzte
sich neben Nicholas, mit dem Rücken an einen Baum gelehnt und sein Gewehr über
den Knien. Erst jetzt nahm er sich die Zeit, um richtig über das nachzudenken,
was Charlie ihm berichtet hatte: daß sechs Banditen irgendwo dort draußen
waren, gekleidet wie Kavalleriesoldaten ...
    »Verdammter
Mistkerl!« stöhnte Gabe, als ihm endlich dämmerte, was das zu bedeuten hatte.
Er war ziemlich sicher, daß er und Nicholas sich nicht in unmittelbarer Gefahr
befanden, doch das war nur ein schwacher Trost, wenn man vom Gesamtbild ausging.
    Marshal
Swingler erwartete Soldaten, die seine Gefangenen abholen würden, und wenn
sechs Männer in Kavallerieuniformen in Parable erschienen und vielleicht sogar
noch offizielle Papiere vorlegten, würde er ihnen Horncastle und seine
Komplizen ohne das geringste Zögern übergeben.
    Und sie
damit freilassen.

18. Kapitel
    Marshal Swingler war sehr schlecht gelaunt
an jenem heißen Julinachmittag, als die Soldaten endlich erschienen, um Jack
Horncastle und die anderen abzuholen. Als wären die Banditen nicht schon lästig
genug, die zusammen in einer viel zu kleinen Zelle hockten und andauernd
miteinander stritten, Nachttöpfe von ihm verlangten, die er dann leeren mußte,
und Tabak, den er ihnen nicht geben durfte, machte ihm zusätzlich auch

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