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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Preis des Verlangens
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die Musik gerade
wieder einsetzte. Sie hätten vielleicht auch nach diesem Stück getanzt, wenn
Captain Sommervale nicht zu ihnen getreten wäre.
    »Darf ich
bitten?« fragte er höflich und reichte Annabel die Hand. Er war ein attraktiver
Mann, obwohl er schon Ende Fünfzig war und seit langer Zeit verheiratet, und
sie freute sich, als sie sah, daß Gabriel etwas unwirsch reagierte, als der
Captain sie zum Tanz aufforderte.
    »Aber gern,
Captain«, erwiderte sie heiter und ergriff die ausgestreckte Hand. Dann sah sie
Nicholas am Rand der Tanzfläche, den Gabriel noch nicht bemerkt zu haben
schien, und mit einer unauffälligen Kopfbewegung deutete sie zu ihm hinüber.
»Es ist mir ein Vergnügen.«
    Gabriel sah
nun endlich auch seinen Sohn, entschuldigte sich und ging zur anderen Seite
der Tanzfläche, um mit ihm zu sprechen.
    Annabel
hoffte nur, daß Gabriel sich seine Worte gut überlegen würde, anstatt Nicholas
auf seine direkte und oft sehr taktlose Art und Weise zur Rede zu stellen.
    Während der
Captain davon sprach, wie gut ihm Parable gefiel und wie gern er seine Frau
herbringen würde, um hier mit ihr zu leben, wenn er in Pension ging, schaute
Annabel über seine Schulter und stellte mit sinkendem Herzen fest, daß das
Gespräch zwischen Nicholas und Gabriel sich in eine ziemlich heftige
Auseinandersetzung zu verwandeln schien.
    Nicholas
wandte sich schließlich ab und verschwand im Dunkeln. Gabriel starrte ihm nach
und tat dann einen Schritt, als wolle er ihm folgen, besann sich jedoch anders,
drehte sich zu Annabel um und warf ihr einen hilflosen, ärgerlichen Blick zu.
    Sie schloß
für einen Moment die Augen, froh, daß Gabriel Nicholas nicht gefolgt war, denn
in ihrer gegenwärtigen Verfassung hätten sie sich eher geprügelt, als zu einer
Einigung zu kommen. Wenn sie und Gabriel ihren Sohn auf den geraden Weg
zurückbringen wollten, mußten sie als erstes sein Vertrauen gewinnen, und das
war, für sie zumindest, eine äußerst schwierige Aufgabe.
    So
schwierig, daß sie es wahrscheinlich für niemand anderen versucht hätte, aber
hier ging es um Nicholas, das einzige Kind, das ihr geblieben war, und obwohl
sie ihm einmal erlaubt hatte, sich von ihr zu entfernen, würde sie diesen
Fehler nicht noch einmal machen. Für ihn würde sie kämpfen bis zum letzten
Atemzug, bis zum letzten schwachen Flattern ihres Herzens.
    Erst als
Annabel aus ihrer Versunkenheit erwachte und wieder
zu dem nachdenklichen und ernsten Gesicht des Captains aufschaute, merkte sie,
daß auch er ihren Sohn beobachtet hatte.

5. Kapitel
    Feuerwerkskörper fuhren krachend zum Himmel auf und
explodierten in allen Regenbogenfarben, worauf die zahlreichen Zuschauer, die
noch wach und auf den Beinen waren, in wilde Begeisterungsrufe ausbrachen. Die
Pferde wieherten und scheuten, wurden aber erst beruhigt, als die kurze
Vorstellung zu Ende war. Jene, die zu früh eingeschlafen waren, vor allem die
sehr jungen und sehr alten, lagen weiterhin schlafend auf dem Boden zwischen
den Überresten ihres Picknicks, liebevoll zugedeckt mit Decken aus den Wagen
und Kutschen, die in einiger Entfernung parkten.
    Nun, wo der
Unabhängigkeitstag entsprechend gewürdigt worden war, machten sich die Männer
daran, ihre nervösen Pferde von den Fußfesseln zu befreien und sie vor die
Wagen zu spannen, während ihre Frauen Kinder, Großmütter, Körbe und Decken
holten.
    Annabel,
die im Schein der Sterne neben Gabriel stand, betrachtete die Szene und
erinnerte sich, daß dieser Feiertag noch etwas war, was sie stets an Parable
geliebt hatte. Und an Amerika.
    Die
Strapazen eines langen und empfindungsreichen Tages machten sich bemerkbar;
sie war ungemein erschöpft, doch zwei ungleiche, sehr macht volle
Gemütsbewegungen hielten sie noch wach und aufrecht. Die erste brannte in ihrem
Herzen – sie war die heftigste und tödlichste aller Flammen, die Angst einer
Mutter um ihr Kind. Die zweite war ein Feuer einer anderen Sorte, entzündet von
dem Mann, der in kameradschaftlichem Schweigen an ihrer Seite stand.
    »Nicholas
ist zu Jessie gegangen«, sagte Gabriel mit einer Sanftheit, die recht
ungewöhnlich für ihn war, während er ihren Arm nahm und sie zu den abfahrenden
Wagen hinüberführte. Er fand sofort die Kutsche der McKeiges, holte die
dazugehörigen Pferde und spannte sie rasch an.
    Leise
Gutenachtrufe ertönten überall um sie herum, ein Chor von Frauen und Männern,
die sich von Wagen zu Wagen Abschiedsgrüße zuriefen. Babies plärrten,

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