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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Preis des Verlangens
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wichtiger, ihm in
intellektueller Hinsicht zu genügen.
    »Woran
denkst du?« fragte Gabriel und ertappte sie, wie es so oft geschah, in ihrem
dichtgewebten Netz aus Überzeugungen und Zweifeln, aus Ängsten und aus Träumen,
aus Siegen und aus Niederlagen.
    Sie war
verständlicherweise sehr verwirrt, und vielleicht war das der Grund, warum sie
ihre Worte nicht mit Bedacht wählte. »Ich fragte mich gerade, was du siehst,
wenn du mich anschaust«, gestand sie freimütig und ohne nähere Erklärung.
    Gabriel
betrachtete Annabel nachdenklich, die noch immer auf der Stuhlkante hockte wie
ein ängstliches Schulmädchen im Büro des Rektors. Dann richtete er den Blick
auf ihr Gesicht. »Du bist zweifellos die schönste Frau, die ich je gesehen
habe«, erwiderte er genauso direkt. »Und du hast auf mich die gleiche Wirkung
wie ein teuflisches Opiat. Wenn wir lange genug getrennt sind, kann ich wenigstens
ohne dich existieren. Bist du jedoch in meiner Nähe, kann ich an nichts und
niemand anderen mehr denken.«
    Annabel war
so verblüfft von seinen Worten, daß sie im ersten Moment nicht sicher war, wie
sie aufzufassen waren. Sie wußte nicht, ob sie sich beleidigt oder
geschmeichelt fühlen sollte.
    »Aber was
ist mit mir, Gabriel? Wirke ich langweilig oder interessant auf dich?
Hältst du mich für dumm oder intelligent? Für empfindsam oder oberflächlich?«
    Er
betrachtete sie lange und schweigend, dann sagte er mit ernster Miene: »Du bist
eine sehr interessante Persönlichkeit, Annabel, auch wenn du dich oft wie ein
impulsives Kind verhältst. Wenn du je aufhören
würdest, vor diesem verängstigten, einsamen kleinen Mädchen in dir
fortzulaufen, und ernsthaft Wurzeln schlagen würdest, egal, ob hier oder in England,
wären deinen Möglichkeiten keine Grenzen mehr gesetzt. Aber so, wie es ist,
mußt du die ganze Welt auf Armeslänge halten und ständig in Bewegung bleiben,
um zu verhindern, daß irgend jemand dir zu nahe kommt, einschließlich deines
eigenen Ehemanns und Sohnes.«
    »Das habe
ich nie getan bei Nicholas!« entgegnete Annabel empört. »Er hat mich
verlassen!«
    Gabriel
beugte sich vor und stützte beide Arme auf den Schreibtisch. »Er war sieben
Jahre alt. Du warst erwachsen, Annabel. Du hättest ihn nicht zu gehen lassen
brauchen.«
    Annabel
schluckte. »Dann wäre er fortgelaufen!«
    »Ja, das
sagte er, und vielleicht hat er es damals auch tatsächlich so gemeint. Es ist
aber auch möglich, daß er nur wissen wollte, ob er sich auf deine Autorität
verlassen konnte. Kinder müssen lernen, wo ihre Grenzen sind. Sie wollen, daß
wir Regeln aufstellen und dafür sorgen, daß sie auch beachtet werden. Denn
sonst fühlen sie sich nicht sicher.«
    Annabels
Augen füllten sich mit Tränen; ärgerlich blinzelte sie, um sie zu verdrängen.
»Verdammt, Gabriel«, flüsterte sie zornig. »Mußt du immer alles so darstellen,
als ob es meine Schuld gewesen wäre?«
    Er kam um
den Schreibtisch herum, zog sie sanft auf die Beine und nahm sie in die Arme.
Sie zitterte und konnte nichts dagegen tun.
    »Ich wollte
niemandem die Schuld zuweisen«, sagte Gabriel. Er legte einen Finger unter ihr
Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Seine Augen blickten forschend in ihre,
ernst, besorgt und voller Zärtlich keit – so zärtlich, daß Annabel seinem
Blick jetzt ausgewichen wäre, wenn er es zugelassen hätte. »Lauf nicht mehr
weg, Annabel. Die Dämonen würden dir immer folgen, ganz gleich, wohin du
gehst. Bleib, wo du bist, und kämpfe. Ich werde an deiner Seite sein.«
    Mit einem
leisen Schluchzen legte Annabel die Stirn an Gabriels Brust. Er umfaßte ihre
Schultern und massierte sie sanft mit seinen Fingern.
    »Es wird
mir nie gelingen, wiedergutzumachen, was ich Nicholas angetan habe«, murmelte
sie traurig.
    Gabriel
hauchte einen Kuß auf ihr Haar. »Mag sein, daß du vieles falsch gemacht hast«,
stimmte er zu. »Aber vielleicht warst du die Mutter, die Nicholas brauchte, um
sein Schicksal zu erfüllen. Nur Gott weiß das.«
    Sie legte
den Kopf zurück, um zu ihm aufzuschauen. »Seit wann bist du so philosophisch,
Gabriel?«
    Er lächelte
traurig. »Seit eben, als mir klar wurde, wie sehr du in all diesen Jahren
gelitten haben mußt. Ob du nun richtig oder falsch gehandelt hast – den kleinen
Jungen Nicholas gibt es nicht mehr. Laß es also gut sein, Annabel, und hör auf,
dich zu quälen, bevor du darüber den Verstand verlierst.«
    »Es tut mir
alles so entsetzlich leid.«
    Zärtlich
strich Gabriel die rotbraunen

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