Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Preis des Verlangens
Vom Netzwerk:
gedeckt, mit einem weißen Tischtuch mit
kostbarem Spitzenbesatz und ihrem besten Porzellan und Silber. Nur der Schein
einiger weniger Kerzen beleuchtete den großen Raum, was diesem ansonsten ganz gewöhnlichen
Abend eine ausgesprochen festliche Atmosphäre verlieh.
    Gewöhnlich
bis auf Nicholas. Er war frisch gewaschen, sein Haar war noch feucht, und
seine Haut glänzte. Er
trug einen eleganten Rock, und als Olivia zum Tisch ging, lächelte er und
rückte ihr den Stuhl zurecht, nachdem er bereits seiner Tante die gleiche
Höflichkeit erwiesen hatte.
    »Ich sehe,
daß meine Bemühungen, einen Gentleman aus dir zu machen, nicht vergeblich
waren, Nicholas«, bemerkte Jessie, und obwohl ihre Stimme heiter klang, lag ein
besorgter Ausdruck in ihren Augen.
    Wäre Olivia
etwas anderes gewesen als eine Realistin, hätte sie daraus geschlossen, daß
Miss McKeige schlicht müde nach ihrer Teegesellschaft war, zu der die halbe
Stadt erschienen war. Aber Olivia wußte, daß ihre Gastgeberin den Meinen Flirt
zwischen ihrem Neffen und der Lehrerin bemerkt hatte und daß sie alles andere
als begeistert davon war.
    Olivia
setzte sich und breitete eine Serviette über ihrem Schoß aus, wobei sie den
Blick gesenkt hielt, um ihre Fassung wiederzugewinnen. Als sie aufschaute, sah
sie, daß Nicholas sie von der anderen Seite des Tischs her anlächelte.
    Sie hatte
natürlich gewußt, daß er im Zimmer war, und dennoch war der Blickkontakt mit
ihm wie ein Schock für sie, wie ein Blitz, der unversehens in ihrer Nähe
eingeschlagen hatte.
    »Haben Sie
die Schule schon gesehen, Miss Drummond?« fragte Nicholas. Er benahm sich wie
ein wahrer Gentleman, an seinen Manieren war nichts auszusetzen, aber das
mutwillige Funkeln, das in seinen Augen stand, strafte sein wohlanständiges
Benehmen Lügen.
    »Ich
fürchte, dazu war noch keine Zeit«, warf seine Tante ein.
    Olivia
fragte sich, ob man sie schon wieder fort schicken würde, bevor sie eine
Chance bekam zu unterrichten. Es wäre eine Schande, denn was sie am besten
konnte, war, mit Kindern umzugehen. Das hatte sie gelernt, als sie die
Ersatzmutter für ihre Nichte Eleanor gespielt hatte.
    »Dann
sollten wir das schleunigst nachholen, finde ich, und zwar gleich nach dem
Abendessen«, erklärte Nicholas mit der Entschiedenheit eines Mannes, der
keinen Widerspruch gewöhnt war und daher auch keinen akzeptierte. »Ein kleiner
Spaziergang nach dem Essen wird uns sowieso guttun.«
    Olivia
hielt den Blick auf ihren Teller gesenkt, den Nicholas bis zum Rand mit Braten,
Sauce, Kartoffeln und grünen Bohnen gefüllt hatte. Sie hatte sich in ihrem
ganzen Leben noch nie etwas so sehr gewünscht wie diese schlichte
Besichtigungstour der Schule, wußte aber trotzdem nicht, ob sie den Vorschlag
annehmen konnte.
    »Das ist
eine gute Idee«, meinte Jessie, und überrascht schaute Olivia zu ihr hin. Doch
Jessie blickte Nicholas an. »Ich hörte von deinem Vater, daß du morgen arbeiten
mußt«, fügte sie hinzu.
    Olivia war
sich der versteckten Bedeutung des Gesprächs bewußt; irgendeine Art Konflikt
wurde hier zwischen Tante und Neffe ausgetragen, während sie selbst in den
Zuschauerreihen saß, ohne zu wissen, worum es ging und ganz eindeutig ein
Außenseiter. Die Erkenntnis erfüllte sie mit einem jähen, scharfen Schmerz,
denn in diesem Augenblick kam ihre Einsamkeit ihr deutlicher zu Bewußtsein als
je zuvor in ihrem Leben.
    Ich liebe
diesen Mann, dachte sie betroffen, während sie Nicholas aus dem Augenwinkel
beobachtete und sich sein Gesicht einprägte. Er wird nie mir gehören,
doch ich werde niemals aufhören, mich nach ihm zu sehnen.
    Olivia
beherrschte das Bedürfnis, die Hände vors Gesicht zu schlagen und bitterlich zu
weinen. Von diesem Moment an war sie jedoch nicht mehr imstande, auch nur
einen einzigen Bissen zu sich zu nehmen.
    Nicholas
bemerkte es, war aber rücksichtsvoll genug, um nichts dazu zu sagen, und als
die qualvolle Mahlzeit endlich beendet war und Olivia den etwas halbherzigen
Vorschlag machte, beim Abräumen des Tischs zu helfen, mischte er sich ein.
Jessie übernahm bereitwillig die Aufgabe, nicht ohne ihrem Neffen jedoch
lächelnd zu versprechen, den Abwasch für ihn aufzuheben.
    Olivia war
zutiefst beschämt, denn Nicholas war deutlich anzusehen, daß er ihre Gefühle
kannte, ihre Ängste und vielleicht sogar ihre bestgehüteten Geheimnisse.
    Er führte
sie bis in die Eingangshalle, wo schon die ersten Schatten des Abends durch die
bleiverglasten Fenster fielen, und dort

Weitere Kostenlose Bücher