Linda Lael Miller
Schließlich ist dies ein ganz normaler Brauch bei
Heiraten, wo es um Titel, viel Gold oder große Ländereien geht.«
Er hatte
recht, das wußte Gloriana, denn sie hatte schon von solchen Dingen gehört.
Frauen hohen Standes beispielsweise mußten ihre Kinder oft vor einer ganzen
Versammlung von Höflingen zur Welt bringen, damit der Säugling nicht gegen
einen anderen ausgetauscht und dem wahren Erben das Geburtsrecht nicht vorenthalten
werden konnte.
»Glaubst
du, Gareth würde uns hier wirklich einschließen, bis ...?«
»Ich bin
mir sogar ziemlich sicher«, erwiderte Kenbrook resigniert. Der Schlag auf
seinen Kopf mußte sehr hart gewesen sein, denn er war leichenblaß, und seine Kleider
waren voller Blut. »Nachdem er schon zu so zweifelhaften Mitteln gegriffen
hat, um seine Ziele zu erreichen, kann ich mir nicht vorstellen, daß er jetzt
noch bereit wäre, nachzugeben.«
»Vielleicht
erfährt Edward, was geschehen ist, und kommt, um uns zu befreien.«
Kenbrook
war unverschämt genug, sie auszulachen. »Es wäre durchaus möglich, daß Sir
Edward versucht, uns zu befreien – vor allem dich natürlich. Aber Gareth
ist ein erfahrener Kämpfer und würde die ungeschickten Attacken eines Neulings
mühelos abwehren.«
Gloriana
preßte ihre Fingerspitzen an die Schläfen. »Ich würde es nicht ertragen, wenn
Edward meinetwegen verwundet oder gar getötet würde.«
»Edward
wird nichts geschehen, Mylady«, versicherte Kenbrook ihr mit einem Lächeln in
der Stimme. »Gareth würde niemals das Schwert gegen den Jungen erheben oder
seinen Männern gestatten, es zu tun. Und nun leg dich hin, Gloriana, und ruh
dich aus. Bei mir bist du sicher.«
Sie nickte;
es wäre sinnlos gewesen, den Rest der Nacht herumzuhocken und über ihre Lage zu
jammern. Vielleicht würde morgen, im Licht der Morgensonne, alles besser
aussehen.
»Wir werden
uns das Bett teilen«, sagte Gloriana großzügig. »Ich kann nicht dulden, daß du
auf dem Boden schläfst oder gar die Nacht auf einem Stuhl verbringst.«
Kenbrook
grinste. »Ich hatte nicht die Absicht, irgendwo anders als neben dir zu
nächtigen, Mylady.«
Gloriana
verschränkte die Finger und biß sich auf die Lippen. Sie hatte jahrelang davon
geträumt, daß ihr Gatte endlich heimkehrte, hatte auf ihn gewartet und sich
danach gesehnt, die Geheimnisse der Liebe zu ergründen. Sie war ein von Natur
aus sinnlicher und leidenschaftlicher Mensch, doch nun, trotz Kenbrooks
Versprechen, daß sie bei ihm sicher war, war sie plötzlich zu gehemmt, um sich
neben ihn zu legen.
»Ich bete
immer vor dem Schlafen«, meinte sie und kam sich gleich darauf sehr albern vor.
Kenbrooks
Lächeln vertiefte sich, er spreizte die Hände. »Bitte«, sagte er. »Bring bloß
nicht meinetwegen deine unsterbliche Seele in Gefahr.«
Gloriana
warf ihm einen unsicheren Blick zu, ging dann zum Bett und kniete davor nieder.
Sie betete still und bat die
Jungfrau Maria um Zurückhaltung, Weisheit und vor allem Tugendhaftigkeit. Dann
schlug sie den schweren, samtenen Überwurf zurück, streifte ihre Schuhe ab und
legte sich, voll angekleidet, auf das Laken.
Kenbrook,
der sich mit einem schweren Seufzer auf der anderen Seite niedergelassen hatte,
nahm sich sehr viel Zeit, um seine Stiefel auszuziehen, und straffte, tief Atem
holend, die Schultern, bevor er sich endlich auf der Matratze ausstreckte.
Gloriana lag steif wie eine Leiche da, die Augen weit geöffnet, obwohl ihre
Lider schwer waren von Müdigkeit. Ihr Körper pochte vor Erschöpfung – und dem
ungestümen, widerstrebenden Verlangen einer Jungfrau, die begierig ist, der
Spannung ein Ende zu bereiten.
Dane
bewegte sich unter den Decken, worauf die Matratze nachgab, und obwohl sie
recht weit voneinander entfernt lagen, war Gloriana sich der Tatsache bewußt,
daß Dane seine Hose und sein Hemd auszog.
»Schlaf,
Gloriana«, befahl er, obwohl er sie in der Finsternis unmöglich sehen konnte.
»Falls ich dich nehmen sollte, wird es bei hellem Tageslicht geschehen. Die
Liebe ist eine Kunst, keine Wissenschaft, und wenn ich eine Frau liebkose,
möchte ich sehen, wie sie darauf reagiert.«
Glorianas
Blut erhitzte sich bei seinen Worten, aber nicht etwa, weil sie zornig gewesen
wäre. Sie hätte vielleicht besser nichts gesagt, aber es gelang ihr nicht, den
Mund zu haben. »Ich habe gehört, daß Frauen weinen«, gestand sie flüsternd.
Dane
seufzte. »Falls ich deinem unbestrittenen Charme erliegen sollte, wirst du
nicht weinen, oder jedenfalls nicht aus
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