Linda Lael Miller
kannst du das wissen?« fragte sie
erstaunt. »Hast du Visionen wie Lady Elaina?«
Dane lachte
und küßte ihr Knie, bevor er den Kopf hob und ihr lächelnd in die Augen
schaute. »Ich besitze keine anderen Kräfte als jene, die die Liebe mir
vermittelt«, erwiderte er.
Gloriana
errötete. Die Kräfte, die Kenbrook aus der Liebe bezog, waren beträchtlich,
aber es hätte ihn nur noch arroganter gemacht, wenn sie es ihm gesagt hätte.
»Aber du scheinst dir so sicher, daß ich bereits dein Kind unter dem Herzen
trage ...«
»Einen
Sohn«, erklärte Dane. Seine Augen glitzerten, als er nach dem Öl griff,
Glorianas Fuß absetzte und sich erhob. »Eigentlich hätte ich lieber zuerst eine
Tochter gehabt«, fuhr er fort. »Ich glaube, daß sie ihren Müttern ein großer
Trost sind in Abwesenheit des Hausherrn.«
Wieder
erwachte Trauer in Glorianas Herz, die sie jedoch rasch verdrängte, weil sie
wußte, wie kostbar jeder Augenblick war. »Wann hast du deinen Sohn gezeugt,
Mylord?« fragte sie lächelnd, als Dane ihr eine Hand reichte und sie auf die
Füße zog.
»Heute
morgen«, antwortete er. »Im Römerbad.«
Gloriana
glaubte wieder die Hitze der Quelle zu spüren, die sprudelnde Liebkosung des
Wassers und die innige Umarmung ihres geliebten Mannes. Sie errötete, als ihr
Blick auf den Flakon mit dem Öl in seiner Hand fiel.
»Nimmst du
das mit ins Bett, Mylord?«
»Das und
noch etwas anderes«, erwiderte Dane und forderte sie mit einer Kopfbewegung
auf, vorauszugehen.
Als Lampen
und Kohlebecken in der Dunkelheit flackerten und Funken sprühten, erfüllten
Glorianas lustvolle Schreie das Turmzimmer.
Später, in
den frühen Morgenstunden, erwachte Gloriana aus tiefem Schlaf zu einem
überwältigenden Höhepunkt, und während sie sich lustvoll unter ihrem Gatten
wand, küßte er ihre Brüste und flüsterte ihr zu, wie sehr er sie vergötterte.
Der
Morgen dämmerte
grau, rosa und golden, als Gloriana die Augen aufschlug, und sie sah sofort,
daß Dane das Gemach bereits verlassen hatte. Die Kohlebecken waren allerdings
schon angezündet, und auf dem Kopfkissen neben Gloriana lag ein Stück
Honigkuchen.
Träge
richtete sie sich auf und griff nach dem Leckerbissen, den Dane für sie
zurückgelassen hatte. In der Ferne, hinter dem See, hörte sie das Geläut, das
die Bewohner von Hadleigh Castle zur morgendlichen Messe rief.
Wieder
räkelte Gloriana sich voller Wohlbehagen. Irgendwann in nächster Zeit würde sie
veranlassen, daß auch hier in der Kapelle von Kenbrook Hall morgens die Messe
gelesen wurde, doch heute war sie viel zu faul, um aufzustehen. Und im übrigen
sah es nach Regen aus.
Erst als
Judith kam, atemlos vom Aufstieg über die steile Wendeltreppe, und ihr einen Krug
heißes Wasser brachte, fiel Gloriana wieder ein, was Gareth, Dane und die
anderen heute vorhatten. Rasch schlüpfte sie in ihr Hemd und lief auf bloßen
Füßen zum Westfenster, von dem sie den Burghof sehen konnte.
Und
tatsächlich war Dane dort. Sein blondes Haar schimmerte wie reines Gold in der
Morgensonne, als er seinen feurigen Hengst bestieg. Hinter ihm, in voller
Rüstung, begannen seine Soldaten sich zu formieren.
»Nein«,
wisperte Gloriana entsetzt. Ihre Schultern sackten herab, ihre Augen füllten
sich mit Tränen.
»Kommt,
Mylady«, sagte Judith tröstend und nahm ihren Arm. »Ihr werdet Euch noch den
Tod holen in diesem dünnen Hemd am offenen Fenster!«
»Dane wird
kämpfen«, jammerte Gloriana und ließ sich zum Tisch ziehen, wo Judith das
Wasser in eine Schüssel goß.
»Ja,
Mylady«, bestätigte das Mädchen ruhig.
Gloriana
wurde übel. Ihr ganzes Leben hatte sie Männer auf dem Turnierfeld in Hadleigh
Castle kämpfen sehen, mit Schwertern und mit Lanzen, doch das waren immer nur
Übungen gewesen, nichts weiter als ein rauher Spaß. Das bevorstehende
Scharmützel mit Merrymonts Männern hingegen war bitterer Ernst. Auf beiden
Seiten würden Männer verwundet werden und vielleicht sogar sterben.
»Setzt
Euch, Mylady«, befahl Judith. »Ihr seid grün wie Malachit.«
Gloriana
ließ sich in einen Sessel sinken und schloß die Augen, als Judith ihr Haar
bürstete und zu einem Zopf flocht.
Als
Gloriana angekleidet war – sie trug ein gelbes Kleid mit goldener Tunika und
einen Gürtel, der mit bunten Glassteinen besetzt war –, verließ sie das
Turmzimmer, zu unruhig, um zu lesen oder sich mit einer Handarbeit zu
beschäftigen. Der Himmel war von einem unheilvollen Grau, als sie auf den
Burghof hinaustrat. Sie
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