Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dein für alle Ewigkeit
Vom Netzwerk:
unbekleidete Frauen gesehen. »Ich hole den Tee.«
    »Dann
beeilen Sie sich«, entgegnete Mrs. Bond, »denn sonst holt sie sich noch eine
Lungenentzündung. Meine Nichte Ellen sah genauso aus, als ...«
    Lyn eilte
durch das Haus zur Küche, wo er feststellte, daß Mrs. Bond, die Tüchtigkeit in
Person, bereits den Wasserkessel aufgesetzt hatte. Die Teekanne war mit heißem
Wasser aus dem Boiler gefüllt, und eine Dose Ceylontee stand auf der Anrichte.
Lyn war stolz auf seine ruhigen Hände, obwohl er kein Chirurg war, aber jetzt
zitterten sie ein wenig, und fast hätte er alles verschüttet.
    Seine
Gedanken waren natürlich bei der bezaubernd schönen jungen Frau, die er auf dem
Friedhof in den Ruinen von Kenbrook Hall gefunden hatte, verstört wie ein
Engel, der sich auf der Schwelle zur Hölle wiedergefunden hat. Außerdem hätte
Lyn schwören können, daß sie aus dem puren Nichts heraus erschienen war, obwohl
das natürlich ausgeschlossen war.
    Er brühte
den Tee auf, füllte einen Teller mit Keksen und stellte alles nicht allzu
sorgfältig auf ein Tablett. Die Teller klapperten, als er es aufhob, und etwas
von dem Tee lief über. Jemand wie diese Frau in ihren seltsamen, wunderschönen
langen Kleidern hätte mir doch auffallen müssen, dachte er erneut. Er streifte
sehr oft durch die Ruinen von Kenbrook Hall, selbst wenn es regnete, weil ... Weil
er sein Leben lang erwartet hatte, dort etwas zu finden, kam ihm plötzlich
zu Bewußtsein, so jäh, daß er sich fast nicht zutraute, das Tablett unbeschadet
aus der Küche in die Bibliothek zu tragen.
    Mrs. Bond
hatte ihre Arbeit getan, als Lyn den Raum erreichte, in dem er fast seine
gesamte freie Zeit verbrachte.
    »Sie hat
kein Wort gesagt«, vertraute die Haushälterin ihm flüsternd an. »Kein einziges
Wort. Das arme Ding starrt nur ins Feuer und sieht aus, als ob es seine Seele
verloren hätte. Ich weiß nicht, ob sie im Krankenhaus nicht besser aufgehoben
wäre.«
    Lyn betrachtete
das Mädchen. »Ich werde sie untersuchen. Sie gehen jetzt besser und rufen
Marge an.« Marge war seine Sprechstundenhilfe. »Bitten Sie sie, vorbeizukommen.«
    Mrs. Bond
rümpfte die Nase, als befürchtete sie, Lyn könne etwas Unanständiges tun, wenn
sie nicht Wache hielt, doch dann schlurfte sie hinaus.
    Sein
Arztkoffer lag auf dem Schreibtisch, wo er ihn am Morgen nach dem
Krankenbesuchen liegengelassen hatte. Er öffnete ihn und nahm ein digitales
Thermometer heraus. Eine Routineuntersuchung bestätigte, was er bereits
vermutet hatte: Seine Patientin war nicht krank, sondern nur sehr aufgeregt,
verwirrt und eingeschüchtert.
    Er bot ihr
eine Tasse Tee an, und sie schaute die Tasse und den Teller an, als hätte sie
dergleichen noch nie zuvor gesehen. Vorher hatte sie noch unverwandt ins Feuer
gestarrt, doch als sie nun den Tee trank, den Kirkwood absichtlich sehr stark
gesüßt hatte, begann sie ihre Umgebung wahrzunehmen. Ihre Augen wurden groß,
dann wieder schmal, und weiteten sich von neuem.
    Lyn glaubte
fast hören zu können, wie ihr Verstand arbeitete, wie er den Dingen Namen
verlieh und ihren Nutzen zu erraten versuchte. Wenn ich es nicht besser wüßte,
dachte Mr. Kirkwood, würde ich sie für eine Zeitreisende halten statt für
irgendeine arme Seele in museumsreifen Kleidern.

Kapitel
11
    Unglücklich kauerte Gloriana in dem weichen
Sessel vor Kirkwoods Kamin, überwältigt von den Geschehnissen und stumm vor
Schock. Daß sie eine solche Transition schon einmal erlebt und mehr oder
weniger mit einer Wiederholung dieser Erfahrung gerechnet hatte, vermochte den Tumult
in ihr nicht zu besänftigen. Beim ersten Mal war sie ein kleines Mädchen
gewesen, das sich in seiner Einsamkeit oft genug vorgestellt hatte, sich in
eine Prinzessin zu verwandeln und in einem Schloß zu leben. Daher war es keine
große Überraschung für sie gewesen, als ihr Traum sich verwirklicht hatte; für
ein phantasievolles Kind sind die Grenzen zwischen Einbildung und Wirklichkeit
wechselhaft und unbeständig.
    Sie hatte
zuerst gehofft, daß Kirkwood und seine moderne Welt nur Illusionen waren,
hervorgerufen durch den unerträglichen Schmerz in ihrem Kopf, der sie an jenem
nebligen Morgen des dreizehnten Jahrhunderts auf dem Friedhof von Kenbrook Hall
hatte zusammenbrechen lassen. Doch jetzt war offensichtlich, angesichts der Substanz
der Dinge und der Menschen, die sie umgaben, daß sie tatsächlich durch die Zeit
gereist war und innerhalb weniger Momente mehr als sechshundert Jahre

Weitere Kostenlose Bücher