Linda Lael Miller
lächeln, um ihre Freundin zu
beruhigen. »Nein«, sagte sie rasch, »stören Sie ihn bitte nicht. Ich ... Ich
vermisse nur jemanden.«
Janet bat
Gloriana, sich an den Tisch zu setzen, und bald stand eine Tasse dampfenden
Tees vor ihr. Mit zitternder Hand fügte Gloriana Milch und Zucker hinzu.
»Eine verlorene
Liebe?« nahm Janet das Thema vorsichtig wieder auf, als sie sich setzte und
Butter auf eine Scheibe Toast strich.
Gloriana
nickte und zwang sich, es ihr nachzutun. Sie mußte essen, wenn sie ihre Kraft
bewahren und ihr Baby schützen wollte. »Ich kann es nicht erklären – nicht
jetzt zumindest.«
Janet
winkte ab. »Das ist auch nicht nötig«, meinte sie, runzelte die Stirn und
musterte Gloriana nachdenklich. »Sie haben schönes Haar«, fuhr sie fort. »Aber
es muß furchtbar viel Arbeit machen, es zu waschen und zu bürsten.«
Gloriana
nickte, froh über den Themawechsel. Im Fernsehen und auf der Straße war ihr
aufgefallen, daß moderne Frauen ihr Haar kürzer trugen. Im dreizehnten
Jahrhundert schnitten die Frauen nie ihr Haar.
»Ich würde
es gern verändern«, gab sie zu, obwohl sie wußte, daß Dane verärgert sein
würde, wenn sie ihr Haar schnitt, und behaupten würde, sie sähe wie ein Junge
aus. Aber so sehr sie ihren Mann auch liebte und vermißte, er hatte nicht
darüber zu bestimmen, wie sie ihr Haar trug.
»Auf der
anderen Straßenseite ist ein Friseur«, sagte Janet. »Ich rufe ihn an und lasse
Ihnen für heute nachmittag einen
Termin geben. Schließen Sie den Laden einfach, wenn Sie gehen.«
Gloriana
lächelte. Es war etwas ungemein Gewagtes, das Haar zu schneiden, und je länger
sie darüber nachdachte, desto besser gefiel ihr die Idee.
Nach dem
Frühstück gab Janet ihr noch einige letzte Anweisungen, bevor sie ihren Koffer
nahm und den Laden Glorianas Obhut überließ. Gloriana war entzückt und entsetzt
zugleich, doch da den ganzen Morgen niemand kam, blieb ihr Zeit genug, sich an
ihre neue Aufgabe zu gewöhnen.
Mittags
ging sie in die Wohnung und bereitete sich ein Sandwich zu, und kurz darauf
kehrte sie wieder in den Laden zurück. Da auch jetzt keine Kunden kamen und
keine Anrufe zu beantworten waren, begann Gloriana sich mit der Ware vertraut
zu machen. Einige der Bücher waren so wunderschön mit ihren Seiten aus schwerem
Pergament, ihren kunstvollen Schriftarten und hervorragenden Illustrationen,
daß Gloriana sich vollkommen darin vertiefte.
Gegen drei
sammelte Gloriana die Notizen ein, die Janet ihr hinterlassen hatte, zog ihre
Jacke an und schloß den Laden, um zu dem Laden auf der anderen Straßenseite
hinüberzugehen, der sich > Cuts and Curls < nannte.
Es war ein
aufregendes Erlebnis, einen Barbierladen des zwanzigsten Jahrhunderts
aufzusuchen. Als Gloriana zwei Stunden später zurückkehrte, war ihr Haar auf
Schulterlänge gekürzt, und obwohl ihr Herz noch immer schwer war, waren ihre
Schritte leicht.
Kapitel
13
Es war
gegen halb sieben
an jenem Abend, als das Telefon in Janets Wohnung plötzlich schrillte und
Gloriana so erschreckte, daß sie ihren Tee verschüttete. Sie war stolz darauf,
ungewöhnlich gut zurechtzukommen in dieser merkwürdigen Ecke des Universums, aber
es gab Dinge, an die sie sich einfach nicht gewöhnen konnte, und dazu gehörte
dieser geräuschvolle Apparat.
»Gloriana?«
Die Stimme war ihr angenehm vertraut, obwohl sie lieber eine andere gehört
hätte. »Ich bin's, Lyn. Wie kommen Sie zurecht, seit Janet fort ist?«
Gloriana
lächelte. Ihr frisch geschnittenes Haar fühlte sich herrlich leicht an, als sie
den Kopf schüttelte. »Bestens, vielen Dank«, erwiderte sie. »Obwohl ich gestehen
muß, daß ich mich ein bißchen einsam fühle.«
»Das läßt
sich ändern«, entgegnete Lyn. »Ich habe angerufen, um zu fragen, ob es Ihnen
recht ist, wenn ich heute abend vorbeischaue. Ich würde Sie gern einem Freund
vorstellen, jemandem, der Sie unbedingt kennenlernen möchte.«
Gloriana
zögerte nur kurz. »Gern«, sagte sie. »Es ist sehr still hier ohne Janet.«
Stirnrunzelnd hielt sie inne, da ein Blick zum Fenster ihr verriet, daß es bald
Zeit zum Abendessen war. »Soll ich etwas zu essen vorbereiten?«
»Du liebe
Güte, nein«, erwiderte Lyn rasch und lachte. »Ich bringe Fisch und Chips aus
der Village Tavern mit.«
Gloriana
war erfreut, und nicht nur über die Aussicht auf Gesellschaft und ihr
Lieblingsessen. Sie konnte reiten, Bogenschießen, Griechisch und Latein lesen
und rechnen, aber Kochen war nicht ihre Stärke.
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