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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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langsam.«  
    »Dann ist er ausgestiegen. Wo ist er?«  
    »Beim S-Bahnhof Friedrichstraße.«  
    »Der steigt um, wetten, der steigt in die S-Bahn um?«  
    …  
    »Kurt?«  
    »Ja. Sieht so aus, als wäre er jetzt im Bahnhof.«  
    »So genau kannst du das sehen?«  
    »Ja.«  
    Unglaublich, dieser ruderfrosch. Warum beten die Leute nicht ihn an, statt diesen Rüdiger Rodeo?  
    »Jetzt zischt er ab. Richtung Alexanderplatz.«  
    »Okay, bleib dran. Und kannst du Lena zwischendrin ausrichten, dass ich den Koffer gleich habe und dass sie warten soll?«  
    »Geht nicht.«  
    »Wieso?«  
    »Hab keine Mailadresse und wir sind nicht auf Facebook befreundet.«  
    »Dann steh auf und geh zu ihr hin!«  
    »Ich soll sie einfach so ansprechen?«  
    »Kurt!«  
    »N… na gut.«  
    Mist, hoffentlich verliert er derweil nicht die iKoffer-Spur. Was weiß ich, was sein Macbook macht, wenn es mal eine Minute ohne ihn ist. Wahrscheinlich fängt es an zu schreien … Krass, sie nennen Lena »Trulla«. Ist sie wirklich immer so hochnäsig? Muss wohl so sein. Mist. Daran ist bestimmt mein Verhalten in der Schulzeit schuld. Muss tiefe Narben auf ihrer Seele hinterlassen haben. Und jetzt baut sie immer eine Mauer um sich herum auf, um nicht wieder verletzt zu werden, kennt man ja … Oh nein, wir bleiben schon wieder stehen! Ich weiß zwar nicht, was genau es nützt, dass ich mit den Füßen tappele, aber irgendwas muss es doch nützen, sonst würde ich es nicht tun … Na bitte, schon fahren wir weiter. Noch drei Stationen, dann kann ich auch in die S-Bahn springen.  
    »Oliver?«  
    »Ja.«  
    »Ich glaube, er ist am Alexanderplatz ausgestiegen.«  
    »Okay, mal sehen, wo der Sack jetzt hin will. Aber egal wohin, ich krieg ihn.«  
    …  
    »Kurt?«  
    »Ich … ich kann ihn nicht mehr sehen.«  
    »Nein! Wie kann das sein?«  
    »Hm, meine Verbindung zum GPS -Trackbackpack steht nach wie vor. Wahrscheinlich ist er in die U-Bahn umgestiegen und das iKoffer-Signal kommt nicht durch die Tunnelröhre.«  
    »Und in welche U-Bahn?«  
    »Keine Ahnung.«  
    »Mist.«  
    Wenigstens ist meine Lahm-Tram endlich beim S-Bahnhof Friedrichstraße angekommen. Mein Daumen, den ich schon die ganze Zeit auf den Türaufmachknopf gepresst halte, beginnt schon weh zu tun. Um von der Haltestelle zum Gleis zu kommen, brauche ich keine zwei Minuten, zwar um den Preis, dass es nun fünf Leute mehr in der Stadt gibt, denen ich auf keinen Fall ein zweites Mal begegnen möchte, aber das spielt jetzt keine Rolle.  
    »Kurt?«  
    »Ja.«  
    »Hast du mit ihr gesprochen?«  
    »Ja. Die Trull…, äh, Lena hat gesagt, du sollst dir bloß keine Umstände wegen ihr machen.«  
    »Hm, danke. Überhaupt, danke, dass du das alles tust. Ist ja schließlich dein Geburtstag heute.«  
    »Oh, keine Ursache, macht Spaß. Ich dachte bisher immer, dass die Verschlüsselung der iKoffer-iDent-Datenbank über kanalisierte Hexadezimalcluster erudiert ist, dabei sind es nur …«  
    »Hast du den iKoffer jetzt wieder auf dem Schirm?«  
    »Nein … Ha! Doch! Da ist er!«  
    »Wo?«  
    »Fährt die Karl-Marx-Allee runter. Aktuelle Höhe: Schillingstraße. Muss er wohl die U5 genommen haben.«  
    »Danke.«  
    Und da kommt auch schon die S-Bahn. Es dauert Äonen, bis die ganze Koffer- und Rucksackmeute ausgestiegen ist und noch mal ein ganzes Erdzeitalter, bis sich der Fahrer endlich entschließt, die Türen wieder zu schließen, aber irgendwann fahren wir. Die Dorotheenstadt und die Museumsinsel ziehen viel zu langsam am Fenster vorbei. Der fährt bestimmt nur so langsam, um den Bremsenverschleiß niedrig zu halten. Und mir geht am Ende deswegen noch der iKoffer-Räuber durch die Lappen. Dämlicher Sparzwang.  
    Die Rolltreppe am Alexanderplatz ist kaputt, aber das macht nichts. Ich springe mit ein paar Riesensätzen hinunter, die die entgegenkommenden japanischen Touristen dazu bringen, stehenzubleiben und miteinander zu diskutieren. Es geht vermutlich um die Gesetze der Schwerkraft und deren Auslegung in Deutschland.  
    »Sitzt er immer noch … in der U5 … Kurt?«  
    »Ja, ich hab ihn. Hat gerade die Straße der Pariser Kommune überquert. Ist irgendwas?«  
    »Nein … ich renne … nur.«  
    Ich weiß nicht, wer mir mehr leid tut. Menschen, die die gleiche Richtung haben wie ich, weil sie erschrecken, wenn ich von hinten auf sie drauflaufe, oder entgegenkommende Menschen, die mich zwar kommen sehen, aber dafür mit

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