Linksaufsteher: Ein Montagsroman
das will ich in einem Supermarkt spielen. Mit echten Figuren.«
»Hä?«
»Ich und ein paar andere besorgen uns Pac-Man- und Geisterkostüme, und unser Labyrinth ist der Supermarkt. Dort fetzen wir rum, bis wir rausgeschmissen werden, und irgendjemand filmt mit.«
»Und du willst den Supermarkt leerfressen?«
»Hihi, wäre konsequent, aber nein. Ist nur für den Spaß.«
»Und das ist die Idee, die du mir unbedingt erzählen wolltest?«
»Nein, die kommt gleich noch. Das mit dem Real-Life-Pac-Man soll nur mein Abschiedsgeschenk an die Supermarktkonzeptionalisten sein. Machst du mit? Du kannst ein Geist sein. Welch Farbe hättest du gerne? Rot, Blau …«
»Ich glaube, ich will nicht mitmachen.«
»Echt? Ach ja, stimmt, du machst ja weniger so geplante Aktionen, sondern improvisierst lieber.«
»So kann man es auch nennen. Warum verabschiedest du dich eigentlich von den Supermarktkonzeptionalisten? Ich meine, du hast doch auch einen mördermäßigen Supermarkt-Tick.«
»Nein, habe ich nicht. Ich habe nur so getan, weil ich dabei sein wollte.«
»Ach?«
Ich kann mir nicht helfen, ich bin enttäuscht.
»Ich frage mich, ob überhaupt jemand von denen in Wirklichkeit so drauf ist.«
»Ich zum Beispiel.«
»Echt, Oliver? Du glaubst tatsächlich, du musst alle Artikel ein Mal kaufen? Du solltest zum Arzt gehen.«
»Vielleicht. Sei froh, dass es dich nicht erwischt hat. Bei mir hat es angefangen, kurz nachdem ich aus meiner WG ausgezogen bin.«
»Wirklich?«
»Wirklich, Franziska. Nimm dich in Acht.«
»Okay, muss ich mal drüber nachdenken … Aber jetzt die wirklich wichtige Idee. Ich hab dir doch erzählt, dass ich vorher Restauratorin studiert habe und dass mein Vater Kunstrestaurator ist?«
»Ja.«
»Genau da will ich ansetzen.«
Franziska legt los. Und so gaga, wie ihr Pac-Man-Projekt ist, so vernünftig hört sich das an, was sie mir jetzt erzählt. Sie will eine große internationale Kunstrestauratoren-Datenbank einrichten, über die man blitzschnell den passenden Spezialisten für jede Restaurationsaufgabe finden kann. Und sie hat die Idee in stundenlangen Telefonaten mit ihrem Vater bis ins kleinste Detail durchüberlegt. Zettel um Zettel malt sie vor meiner Nase voll, um mir die Einzelheiten besser erklären zu können. Ich weiß nicht, was mich mehr beeindruckt: das, was sie und ihr Vater sich ausgedacht haben, oder die Tatsache, dass sie in der Lage ist, mir alles so zu erklären, dass ich es auch verstehe. Erst nach dem achten Zettel macht sie eine Pause.
»Und, ganz ehrlich, was sagst du bis hierhin?«
»Ich sage ganz ehrlich: Wow. Und ich benutze das Wort wow hier in seinem eigentlichen und ursprünglichen Sinn, nämlich – wow!«
»Danke.«
Wenn sie so wunderbar strahlt, passieren seltsame Dinge mit mir. Ob das gut ist? Sie ist doch jetzt in ihr Projekt verliebt.
»Ich habe natürlich keine Ahnung, ob man damit wirklich Geld verdienen kann und ob man überhaupt Leute findet, die das finanzieren, aber ich habe alles verstanden und ich glaube einfach, das ist ein gutes Zeichen.«
»Weil du gerade von Finanzierung angefangen hast – du kennst doch die Trulla … ich meine, die Lena. Kannst du sie vielleicht mal fragen, ob ihre Gesellschaft da einsteigen will?«
»Oh, schwierig, ich glaube, sie ist gerade nicht gut auf mich zu sprechen, und wenn ich richtig gehört habe, hat sie bis jetzt jeden aus dem Coffee & Bytes, der was von ihr wollte, abblitzen lassen. Ist wahrscheinlich alles eine Nummer zu klein für sie. Aber gut, ich frage sie, ob du mal mit ihr reden kannst. Versprochen.«
»Danke, Oliver.«
Sie neigt ihren Kopf zu mir und haucht mir einen Kuss auf die Wange. War das wirklich nur ein Danke-Kuss, oder …? Mhmm, ich mochte es auf jeden Fall. Sie lehnt sich wieder zurück und trinkt ihren Apfelsaft aus.
»Oliver, kann ich mir mal deine Wohnung anschauen?«
»Och, klar. Warum nicht?«
***
Fremde Sachen. In meinem Wohnzimmer. Und ganz von selbst, ich habe nichts dazu getan. Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob ich Franziska, die sich auf meinem Sofa fläzt, die ganze Zeit so verzückt anschaue, weil ich sie so mag, oder einfach nur, weil ihre Tasche in der einen, ansonsten leeren Ecke des Raums liegt, ihre Schuhe in der anderen, und weil sie selbst ganz wunderbar die Leere auf dem Sofa ausfüllt.
»Stimmt, es sieht wirklich aus wie bei mir.«
»Ja,
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