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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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Reggae-Mütze schleicht mit seiner Plastiktüte auf dem Bürgersteig an mir vorbei und nuschelt etwas in meine Richtung. Ich drehe mich verwundert zu ihm um.
    »Meinen Sie mich?«
    »Ja, Mann«, ertönt ein karibischer Akzent in meinem Ohr. »Brauchst du was, Mann?«
    Ich nicke.
    »Ja, ein Taxi.«
    »Nix Taxi. Aber ich habe feinstes Hasch und Marihuana.«
    Ich schrecke zurück. »Nein, wirklich nicht.«
    »Pilze?«
    »Was?« Ich bin sichtlich verwundert, wie schnell man in Jamaika vom Drogenbauchladen zu einem Bioladen mit Pilzen umschult. »Pilze?«
    »Ja, Mann.« Er schaut sich um, kommt zu mir und gewährt mir einen Blick in seine Tüte. Circa zwanzig Pilze befinden sich darin. Ich tippe auf Champignons, bin aber kein Pilzsammler. »Besondere Pilze.«
    »Ja, ich weiß. Pilze. Lecker …« Ich streichele mir über den Bauch.
    Doch der nette Pilzsammler schüttelt nur ungläubig den Kopf und fährt sich durch die krausen Haare. »Ja, Mann, die machen dich aber high. Das sind Zauberpilze, Magic Mushrooms, weißt du, mein Freund? Ist wie LSD, nur der Trip ist nicht so lange.«
    »Ach, das sind Drogen? Ich dachte, es seien Pilze.«
    »Ja, Mann, aber magische Pilze. Du siehst alles intensiver, hörst alles intensiver, schmeckst alles intensiver …«
    »Nein, ich denke nicht … Ich brauch nur ein Taxi.«
    Doch mein Gegenüber hat anscheinend selbst ein paar der Mushrooms intus und ist in seinem Redeschwall nicht mehr zu stoppen.
    »… fühlst alles intensiver, lebst intensiver, es bringt dein Innerstes zum Vorschein, du bist im Frieden mit dir und der Welt … Peace.«
    »Ich sagte doch nein, das ist nichts für … Moment, Sie sagten, es bringt das Innerste nach außen?«
    »Ja, Mann, genau, Mann.«
    »Gilt das auch für Lügen?«
    »Das gilt für alles, mein Freund. Du bist total im Peace mit dir und deiner Umwelt. Lügen sind da unnötig.«
    Das lässt das Ganze hier natürlich unter einem ganz anderen Stern stehen. Wenn ich Falco vielleicht ein, zwei dieser kleinen Teile unterjubeln könnte, würde er mir wie in einem Verhör die Wahrheit sagen.
    »Was kostet so einer?«
    »Ich gebe ihn dir für zwanzig. Das Zeug ist echt der Kracher. Schon die alten Urvölker haben die verwendet.«
    »Urvölker.« Das klingt gut, denke ich und frage nach. »Also so was wie Ossis, oder?«
    »Klar, Mann. Die bestimmt auch.«
    »Okay, ich nehme so einen.«
    Als wir um die Ecke biegen, ich ihm einen Zwanziger in die Hand drücke und er mir daraufhin einen klein geschnittenen Pilz in einer Plastiktüte überreicht, fällt mir noch etwas ein. Schließlich möchte ich nicht, dass Falco etwas zustößt. »Sag mal, die Pilze hast du aber vorher nicht zufällig in Milch oder Sahne eingelegt, oder?«
    Jamaika schüttelt amüsiert den Kopf. Noch als er um die nächste Ecke verschwunden ist, kann ich ihn lachen hören.
    »Du bist ja echt schräg drauf, mein Freund. Echt schräg.«

12 Pizza Kabul
    U nd warum, sagtest du, gibt es gerade heute keine Taxis am Bahnhof?«
    »Weil die Taxiunternehmer streiken.«
    Meine Spontaneität begeistert mich. Und Falco ist zum Glück naiv genug, mir diese bescheuerte Ausrede auch abzukaufen. Außerdem scheint er sich von seinem kleinen Sahneabenteuer gut erholt zu haben. Das beruhigt mich. So kann ich ihn auf die zweite Teststrecke führen. Pilze verträgt dieser Ökoheini bestimmt besser als Sprühsahne.
    »Und wie lange dauert der Streik?«
    Eine berechtigte Frage. Wie lange streikt man denn so in Taxifahrerkreisen?
    »So bis um drei, halb vier?«
    Meine Antwort klingt eher wie eine Gegenfrage.
    »Lohnt sich das denn dann für die Taxifahrer überhaupt?«
    »Was weiß ich … Es ist wohl mehr symbolisch.«
    Falco bläst die Wangen auf und stemmt seine Hände in die Hüften.
    »Na super. Und was machen wir jetzt noch bis dahin? In diesen Stripladen runter will ich nicht mehr.«
    »Ja, hast recht. Ich auch nicht. Lass uns lieber irgendwo ’ne Pizza essen gehen«, bekräftige ich. »Ich bekomme nachts immer so einen Hungerschub.«
    »Dann solltest du mal Stutenmilchdragees nehmen, die wirken hungerzügelnd.«
    Falco scheint wieder voll einsatzfähig zu sein. Sein Gelaber ist zumindest wieder auf Normalniveau.
    »Ich will Pizza und keine Pferdepillen.«
    »Ich meinte ja nur. Fettiges Essen zu dieser Nachtzeit ist eben nicht gesund.«
    Wir gehen ein paar Meter im Rotlichtviertel und halten vor einer blinkenden Leuchtschrift: Ranschids Schlemmereck. Es ist eine der vielen Fressbuden, die rund um die Uhr

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