Linksträger: Roman (German Edition)
dabei, seine beschlagenen Brillengläser zu säubern, während ich mir ein Pils und Falco sich eine Apfelschorle mit stillem Wasser bestellt. Dann richten wir unsere Blicke zur Stange auf der Tanzfläche.
Besser hätte ich es nicht planen können. Denn auf der Tanzfläche rekelt sich gerade ein männlicher Tänzer mit Armen wie Betonpfeiler um die Tanzstange und lässt sich von einer Horde wild gewordener Hausfrauen Geldscheine in Slip und Mund stecken. Ich beobachte Falco. Keine Reaktion. Hm, das bedarf aktiver Animation.
Ich winke den halb nackten Tänzer nach seinem Auftritt zu uns an den Tisch und stecke ihm ein paar Scheine zu. Dabei flüstere ich ihm zu, dass er sich mal intensiv um Falco kümmern soll. Sofort streckt der Stangentarzan Falco seinen sonnengegerbten Hintern vors Gesicht und wackelt aufreizend damit. Brummelbärchen verschlägt es die Sprache, und er bringt keinen Ton mehr hervor. Dann wird einem Kollegen von der Bar gewinkt, der sogleich eine Dose mit Sprühsahne reicht. Die vorfahrtsschildgroßen Brustmuskeln des Stangentarzans werden mit Sahne bedeckt, und der Tänzer streckt sie Falco entgegen.
Falcos Augen zucken nervös, dann schüttelt er den Kopf in meine Richtung. »Robert, ich denke nicht, dass …«
Weiter kommt er nicht, denn schon wird sein Gesicht in die weiße Masse gedrückt. Die Gruppe der Hausfrauen johlt, die restlichen Männer im Laden wenden sich angewidert ab. Als der Muskelberg den Kopf wieder freigibt, sieht Falco wie der Verlierer einer Tortenschlacht aus. Verlegen drückt er sich die Sahne aus den Nasenlöchern und ringt nach Luft, dabei reckt er seinen Zeigefinger in die Höhe. Ich glaube, es gefällt ihm.
»Was denn, willst du noch mal?«
Ich reiche dem Tänzer einen weiteren Fuffi, und noch bevor Falco antworten kann, taucht sein Kopf wieder in die Sahnebrust. Als er wieder von ihr loskommt, krallt er sich am muskulösen Arm des Tänzers fest. Sein Outing ging ja schneller als gedacht.
»Nicht alles auf einmal, Falco. Wir sind ja noch eine Weile hier. So viel Kohle hab ich nun auch wieder nicht.«
Falco klammert sich jedoch unbeeindruckt am Stangentarzan fest. Richtig gierig das Brummelbärchen.
»Na gut, eine Runde geht noch.«
Wieder wird Sahne aufgesprüht, doch Falco winkt ab.
»Ich glaub, dein Kumpel hat ein Problem«, vermutet Stangentarzan.
»Ach Quatsch«, antworte ich, doch im selben Moment fuchtelt Falco wild mit seinen Händen und beginnt zu lallen.
»Ladodeindodeland.«
»Was?«
»Ich hade Ladodeindodeland.«
Erst jetzt erkenne ich, dass seine Zunge beinahe die Ausmaße eines Schlauchboots angenommen hat. Durch die Schwellung kann er kaum noch sprechen. Überhaupt scheint sein gesamter Schädel angeschwollen und seine Augen auf Billardkugelgröße gewachsen zu sein. Dann sinkt er in das Couchleder und beginnt, wie ein Maikäfer zu pumpen. Mittlerweile haben sich mehrere Personen um uns versammelt, und selbst der Chef des Ladens kommt zu uns herüber und lässt das Licht einschalten. Falco zieht eine Packung Tabletten hervor und verleibt sich zwei davon ein.
Es dauert ein paar Minuten, dann sind Falcos Schwellungen immerhin so weit zurückgegangen, dass er wieder sprechen kann.
»Zum Glück habe ich meine Medikamente mit dabei. So was kann ins Auge gehen, Robert.«
»Ja, was ist denn los?«
»Ich leide unter akuter Laktoseintoleranz und vertrage keinerlei Milch oder Sahneprodukte. Mir schwillt alles an, und ich bekomme kaum noch Luft.«
Stangentarzan und ich blicken auf die Sahnesprühdose.
»Oh, das wusste ich nicht. Sorry.«
»So bin ich auch auf Stutenmilch gekommen. Das ist das einzige Milchprodukt, dass ich vertrage, weil …«
Die Musik wird wieder eingeschaltet und übertönt zum Glück Falcos Loblied auf Stutenmilch. Ich denke, es ist besser, hier zu verschwinden. Mein erster kleiner Test war jedenfalls schon mal ein Reinfall.
»Ich denke, wir sollten mal an die frische Luft gehen, was denkst du, Falco?«
»Gute Idee.«
Ich stütze ihn, als wir die Treppe hinauf zur Straße gehen, und setze ihn vor der Tür auf einer Bank ab.
»Gib mir einfach ein paar Minuten.«
»Okay, ich schau mal, wo ich ein Taxi auftreiben kann. Bleib einfach hier sitzen. Ich bin gleich wieder da.«
Nach einigen Metern stoße ich auf das erste Taxi. Doch ein angetrunkenes Pärchen schnappt es mir vor der Nase weg.
»Scheiße«, fluche ich und schaue mich weiter um.
»Brauchst du was?«
Ein jamaikanisch aussehender Mann mit Bob-Marley-Shirt und
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