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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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keine allzu gute Idee war, bemerke ich erst, als ich die Lederkutte erkenne, die sich über den schrankwandgroßen Rücken des Kerls spannt, der sich nun zu mir umdreht. Hinzu kommt, dass ein großer Aufnäher mit Totenschädel, Engelsflügeln und Motorradhelm die Kutte des imposanten Mannes ziert. Darunter der Schriftzug Hells Angels forever .
    »Was hast du gesagt?«
    »Ich?«
    »Ja, du. Hast du mich eben einen Idioten genannt?«
    Die Gruppe junger Männer schiebt daraufhin automatisch die umliegenden Stühle und Tische zur Seite. Binnen Sekunden entsteht ein Boxring, in dessen Mitte ich gerade eben zum Hauptkampf aufgerufen wurde.
    »Hab ich das?«
    »Ja, hat er«, ruft einer aus der Bübchengruppe. Verräter. Der Rocker kommt auf mich zu und schiebt prophylaktisch seine Ärmel zurück. Zum Vorschein kommt ein kompletter Comicroman in Tattooform. Ich habe mal gelesen, dass ein Tattoo stets die eigene Lebensgeschichte widerspiegelt. Herr Höllenengel scheint demnach in seinem Leben sehr viel und sehr Böses erlebt zu haben.
    »Dann habe ich mich ja nicht verhört. Idiot nennst du mich also. Okay! Merk dir die Worte besser richtig gut, denn es werden die letzten sein, die du für ganz lange Zeit gesprochen hast. Ich rahm sie dir jetzt zur Erinnerung schön in deiner Kauleiste ein.«
    Robert, wenn du dich in deinem weiteren Leben nicht durch den schmalen Hals einer Schnabeltasse ernähren möchtest, musst du dir nun ganz schnell was überlegen. Und tatsächlich schlägt mir mein Hirn eine abwegige Lösung vor: die Flucht nach vorn.
    Ich schließe die Augen, atme tief ein und lege los.
    »Wichser, Arschloch«, brülle ich so laut wie möglich und beginne, mich dazu heftig zu schütteln. Die Oma am Ecktisch zieht verschreckt ihr Hündchen zu sich, die Gruppe Jugendlicher hält die Luft an, und Ranschid scheint bereits in Gedanken eine Aufstellung der Einrichtungsschäden durchzugehen. Doch mein verbaler Nachschlag war keineswegs naiv, sondern beabsichtigt. Und meine List verfehlt auch nicht die erhoffte Wirkung. Der Rocker samt seiner Tattoo-Ausstellung verharrt für einen Moment in seiner Position und stockt.
    Teilerfolg.
    Jetzt muss ich nachlegen.
    »Kackfotze, Hurensohn.«
    Um meine Showeinlage noch perfekter zu gestalten, spucke ich erneut wild um mich wie eine Waschmaschine im Schleudergang. Und wieder folgt eine heftige Schüttelattacke. Als diese abgeklungen ist, atme ich tief durch und lächle den Rocker ahnungslos an, als ob nichts gewesen sei. Alle anderen im Raum starren mich stumm an.
    »O Mann, war es etwa wieder so weit?«, frage ich und spiele den Überraschten. »Habe ich Sie erschreckt? Tut mir leid, ich bekomme das nie so richtig mit.«
    Der Rocker glotzt mich begriffsstutzig an. »Wie meinst du das?«
    »Sie müssen entschuldigen. Ich bin krank. Tourette-Syndrom. Ich kann nicht anders. Es überfällt mich einfach aus heiterem Himmel, und ich muss fluchen. Ich hoffe, ich bin niemandem zu nahe getreten.«
    »Das stimmt, Alter, das gibt’s echt.« Der vorlaute Bengel aus der Gruppe bekräftigt meine These. »Hab ich auf RTL gesehen.«
    Der Rocker scheint zu zweifeln. Einen Behinderten zu schlagen käme wohl auch in seinen Kreisen äußerst uncool rüber.
    »Aha.«
    Das ist zunächst das Einzige, was er von sich geben kann. Ein Aktionsvakuum entsteht, in dem niemand etwas tut oder sagt. Doch dann schließt die Tattoo-Messe von einem Moment auf den anderen, und der Veranstalter rollt seine Ärmel wieder herunter.
    »Hab ich auch schon von gehört. Dachte nicht, dass es das wirklich gibt. Also, dann versuch, dich noch ein paar Minuten zu beherrschen, bis ich meine Pizza gegessen habe, okay?«
    »Na klar.« Ich nicke. »Und noch mal sorry.«
    Nicht nur in mir breitet sich Entspannung aus. Die Jungs und die Oma erwachen wieder aus ihrem Stand-by-Modus und rücken ihre Stühle zurecht. Und auch Afghanen-Inder Ranschid dankt irgendeiner Gottheit mit einem Kuss gen Himmel. Gerade noch mal gut gegangen.
    Ich setze mich wieder an den Tisch, an den Falco immer noch nicht zurückgekehrt ist. Stutenmilchprodukte in jeglicher Form scheinen verdauungsfördernd zu wirken. Doch außer Falco vermisse ich noch etwas: unsere Pizzen. Eine davon fehlt. Aber welche? Ich drehe mich fragend zu Ranschid um, der meine Verwunderung bereits bemerkt hat.
    »Habe Fehler gemacht. Eine Pizza war nix fur Tisch vier, war fur Tisch funf.« Dabei deutet er zum Tisch der alten Dame, die sich gerade ihre Serviette um den Hals bindet. Ich

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