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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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ja beeindruckend. Woher können die Afghanen das?«
    Tja, woher können die das? Eine gute Frage. Ich halte den erstbesten Gedanken fest, der mir gerade durchs Großhirn tanzt: »Italienisches Militär.«
    »Was meinst du damit?«
    »Das italienische Militär der alliierten Truppen hat es seinem Vater und den restlichen Afghanen während des Krieges gegen die Taliban beigebracht.«
    »Ach?«
    Ich liebe Brummelbärchen für seine Naivität und fahre fort: »Ja. Das war eine Art soziales Hilfsprogramm für die Bevölkerung. Damit sie sich nach dem Abzug der Truppen selbst versorgen können. Nudeln waren aus, gab’s keine mehr. Das Land lag am Boden, und außerdem ist der Pizzateig dem afghanischen Farrag sehr ähnlich.«
    »Farrag? Noch nie gehört.«
    Das wundert mich nicht. Diesen afghanischen Leckerbissen habe ich auch gerade eben erfunden, weil im Fernseher über der Theke in einer Reportage bei RTL-EXPLOSIV ein Bericht über Nadja Abd el Farrag läuft. Und ich finde, eine afghanische Spezialität könnte durchaus nach einer Ex von Dieter Bohlen klingen.
    »Das ist so eine Art Hülsenteig und ist unserem Pizzateig sehr ähnlich.«
    »Farrag? Hülsenteig, aha. Was du alles weißt.«
    »Siehst du, wieder was gelernt.«
    Das erste Mal im Leben war Nadja Abd el Farrag also für etwas gut. Sie hat mir gerade den Arsch gerettet. Ich lege erschöpft meinen Kopf in beide Hände. Zum Glück kommt der afghanische Farrag-Bäcker, der wohl eher aus Indien stammen dürfte, endlich zu unserem Tisch.
    »Habbe gewählt?«
    Gerade will ich bestellen, als mir Falco zuvorkommt.
    »Also ich hätte gerne so einen Farrag.«
    »Eine was?«
    »Einen Farrag, Ihren Hülsefruchtteig.«
    Der indische Afghane schaut Falco an, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank.
    Ich grätsche eilig dazwischen. »Falco, das haben die doch nur in Kabul so genannt. Hier in Frankfurt nennen wir das anders.«
    »Kabul?« Der Chef des Hauses schaut nun vollends verstört. Seine beiden dunklen Augen formen dabei so etwas wie zwei Fragezeichen. »Nix Kabul, Ranschid und Familie komme aus Mumb…«
    »Und wie nennt man die Spezialität hier in Frankfurt?«, fragt Falco nicht minder verwirrt.
    »Pizza Mary«, antworte ich, »wir nehmen zwei mal die Pizza Mary mit extraviel Pilzen und zwei Colas.«
    »Pizza Mary? Das klingt gar nicht afghanisch.«
    »Das war ein Codename wegen der Taliban«, erkläre ich und reiche Ranschid die Karte.
    Wieder verengen sich dessen Augen und wirken wie zwei große Fragezeichen. »Nix Taliban, Ranschid und Familie komme aus Mumb…«
    »Wie lange dauert es, Ranschid?«, unterbreche ich die indische Familiengeschichte. Egal ob Mumbai oder Kabul, er soll die Klappe halten und uns die beiden Pizzen bringen. Es funktioniert. Die Fragezeichen entmaterialisieren sich, und er lächelt wieder in der ursprünglichen Form.
    »Dauer zehn Minut.«
    »Gut. Danke, Ranschid.«
    Der Neuafghane verschwindet und bringt uns kurz darauf zwei Colas. Falco und ich stoßen an, nehmen einen Schluck und plaudern die nächsten Minuten über die kulinarischen Kombinationsmöglichkeiten von Stutenmilchprodukten und Farrag. Okay, alles scheint wieder in geordneten Bahnen zu laufen.

13 Rentner-Märtyrer
    I ch müsste kurz mal austreten, Robert.«
    »Alles klar.«
    »Kann aber ein paar Minuten dauern. Ich muss mal groß.«
    »Mehr Information, als mir lieb ist, Falco, aber kein Problem. Die Toiletten sind die Treppen runter und dann links.«
    Perfekt! Kaum ist Brummelbärchen um die Ecke verschwunden, bringt Mumbai-Ranschid uns auch schon beide Pizzen an den Tisch. Ich sondiere die Lage und schaue mich um. Niemand nimmt von mir Notiz.
    Okay.
    Das ist meine Chance.
    Vorsichtig fingere ich das kleine Tütchen mit den Zauberpilzen hervor. Ganz vorsichtig, Robert. Du willst ihn ja nicht auf einen Jahrhunderttrip schicken, sondern nur gerade so viel verabreichen, dass du ihn vernehmen kannst. Ich halte das Tütchen vorsichtig über die Pizza und schüttele die kleinen Zauberpilzstücke aus der Tüte, die normalen Champignonstücken tatsächlich zum Verwechseln ähnlich sehen. Mit größtmöglicher Vorsicht lasse ich noch ein letztes Stückchen auf den Belag rieseln.
    »Sorry, ich muss hier mal kurz durch …«
    Plötzlich schubst mich irgendjemand von hinten an, wodurch der gesamte Inhalt aus der Tüte sich quer über die Pizza verteilt. Wut und Panik steigen in mir auf.
    »Du Idiot«, schreie ich und wende mich gleichzeitig um. Dass diese Unmutsäußerung

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